Predigt in der Christmette, 24.12.2024, Franziskus-Gemeinde

Meine diesjährige Weihnachtsgeschichte hat mir ein guter Freund erzählt: Er war zu Besuch bei einer ihm befreundeten Familie, die ein 1½-jähriges Kind hatten. Man beschloss, eine Nachtwanderung zu machen. Das Kind könne man ruhig mitnehmen – in einem Tragerucksack – es würde durchschlafen.

Mitten in der sternklaren Nacht ging der Mond auf… ein Vollmond von der Art, wie man ihn nur ganz selten sieht, eine gewaltige Scheibe, die wirklich die ganze Nacht zu verzaubern vermag. Und genau da wurde das Kind wach. Unbeschreiblich die Reaktion des Kindes, das – wohl zum ersten Mal in seinem Leben – den Mond erlebte, und dann so eine Supervollmond: Was für ein erregter Jubel, immer wieder stupst das Kind seinen Vater an und zeigt auf den Mond, es hält die Hand vor Augen und schaut nach einer Weiler, ob der Mond immer noch da ist…

Etwas tief Berührtes ergriff dadurch auch die Erwachsenen. Auch für sie wurde diese Nacht dadurch wie verzaubert, verwandelt. Es war das Gefühl, Zeuge geworden zu sein, wie das Leben gewissermaßen gerade neu die Augen aufschlägt.

Mit jedem Kind schlägt das Leben die Augen neu auf. Und: Jedes Kind ist ein Geschenk an uns alle. Selbstverständlich gehören Kinder zu ihren Eltern, ihrer Familie, aber gleichzeitig trifft das, was Jesaja in seiner Vision von einem erwarteten Retter sagt: „Ein Kind ist uns geboren…“, übertragen auf jedes Kind zu: Jedes Kind, das das Licht der Welt erblickt, ist uns geboren.

Und was ist uns mit ihnen geschenkt? Ganz klar: Zukunft! Schon äußerlich stimmt das: Wenn es keine Kinder gäbe, dann hätte die Menschheit keine Zukunft. Aber die Antwort hat noch eine tiefere Schicht: Tief in uns verbinden wir mit Kindern eine Verheißung: Das Versprechen einer erhofften besseren Zukunft. Wenn wir sie anschauen, haben wir nicht nur die Frage: Welche Zukunft hast du, sondern auch: Welche Zukunft wirst du bringen? Und es ist ja so: Wie die Zukunft sein wird, was in ihr geschehen und nicht geschehen wird, hängt von denen ab, die heute Kinder sind. Im Kind verbinden sich Gegenwart und Zukunft.

Schauen wir bewusst ein Kind an – und wir haben die ganze Botschaft des Weihnachtsfestes vor Augen. Gesetzt den Fall, ich würde Sie fragen, (keine Sorge…) was der Sinn/Inhalt von Weihnachten ist, kämen ziemlich sicher drei Antworten: Fest des Friedens, der Nächstenliebe, der Familie. Nächstenliebe, Frieden, Familie (d.h. die Menschen, die uns besonders im Herzen sind) sind die Säulen des Festes. Doch diese drei Säulen können das Fest nur prägen, wenn sie auf einem sie tragenden Fundament stehen. Und dieses Fundament ist das Versprechen, das das Kind verkörpert: Dir/Euch ist Zukunft geschenkt!

Weihnachten ist das Fest der geschenkten Zukunft. Heute spricht uns Gott als Kind an: Ich gebe dir Zukunft und Hoffnung! Und das wird uns dann, wie Eltern ein Neugeborenes, in die Hände gelegt. Alle Eltern kennen das – viel besser als ich. Was wir mit einem Neugeborenen in den Händen halten, ist zweierlei: Ein unvergleichliches Geschenk und eine unvergleichliche Verantwortung. Und das will mit Leben erfüllt werden. So wie ein Neugeborenes uns ‚umkehrt‘, unsere Weltsicht, unsere Werte – wir lernen gewissermaßen (zumindest für kurze Zeit!) am ‚lebenden Exemplar‘, dass nicht das Starke diese Welt regiert, sondern dieses kleine Wesen uns ganz und gar ‚regiert‘, so sehr es uns ganz braucht. Als Pfadinder habe ich mal gelernt: Der Große schützt den Kleinen. Weihnachten lernen wir, dass es umgekehrt genauso stimmt: Das Kleine schützt das Große. Weihnachten kehrt die Machtverhältnisse in der Welt um.

Tut es das? Gerade im Moment erleben wir ja, wie einige austesten: Ich bin noch reicher – also kann ich auch noch mächtiger werden. Eine Zukunft für den Zusammenhalt unserer Welt gibt es damit garantiert nicht!

Als Erwachsener hat Jesus sein Gegenprogramm noch deutlicher proklamiert: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht in das Reich Gottes kommen“. Das ist nicht ein unverbindliches Angebot, nach dem Motto: „Überlegt vielleicht einmal“, sondern: ‚Ihr werdet scheitern, wenn ihr nicht umkehrt‘. Schärfer hat er selten gesprochen! Die Rettung unserer Welt kommt nicht aus Größe und Stärke, schon gar nicht aus ‚alter Größe‘, sondern alles Leben erneuert sich aus dem Kleinen. – das ist Zusage und Gebot der Stunde, Beides ist Weihnachten.

Von Geboten der Stunde, von Zeitenwenden hören wir in diesen Jahren oft und empfinden es auch so. An wie vielen Stellen erleben wir, dass unsere Art und Weise, wie wir das Zusammenleben eingerichtet haben, an eine Grenze kommt, wie zerbrechlich und gefährdet unsere Schöpfung, der äußere und innere Friede… Deswegen drängen insbesondere junge Menschen, kritisieren uns Ältere, werfen uns Inkonsequent und Halbherzigkeit beim Lebensstil vor. Glaubwürdige Antworten tun dringend Not. Was uns mit dem Kind in der Krippe anschaut, ist ein unvergleichliches Geschenk und eine unvergleichliche Verantwortung. Hier begegnet uns Gott als Retter, aber in einem anderen Sinn auch als Richter!

Dazu ein letzter Gedanke: Jeder von uns ist einmal ein Kind gewesen. Und jeder kennt wohl folgendes Gefühl: Selbst dann, wenn wir unsere Kindheit als völlig glücklich in Erinnerung haben, gehört für uns alle auch die Erfahrung, dass wir hinter dem zurückgeblieben sind, was wir einmal als Zukunftserwartung hatten.

Unsere Ideale, das Gute, dass wir erhofften… wie oft gingen und gehen wir es mit unseren besten Kräften an – dennoch: Vollständig erreichen werden wir unsere Ziele nie, dafür ist das, was unsere Schultern tragen können, zu schwach, selbst, wenn wir uns zusammenschließen und Gutes gemeinsam schultern: Wir können in der Welt viel zum Guten ändern, retten können wir sie nicht. Deswegen sagt Jesaja prophetisch von dieser Hl. Nacht: Die Welt ist gerettet, weil die Herrschaft auf SEINER Schulter liegt.

Feiern wir Weihnachten als Fest der von Gott geschenkten Zukunft. Holen wir dieses Kind, holen wir Jesus und seine Botschaft in unsere Mitte, in unsere Herzen und Häuser. Leben wir so, dass es bei uns Lebensrecht hat, Heimat findet. So wird Zukunft, Frieden und Leben für alle geschenkt. Amen.

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