Predigt zum Fronleichnamsfest am 19.6.2025 vor dem Haus Regenbogen in Derne,

Wir sind vergesslich! ‚Jetzt habe ich sie schon wieder vergessen… Ihre Nummer ist mir entfallen… Entschuldigung, Ihr Geburtstag wie konnte ich nur!… Wie war doch noch mal gleich Ihr Name?… Der Film letzte Woche war so beeindruckend, doch – wie war noch mal gerade der Titel…?‘

Wie kann man nur so vergesslich sein? Praktisch alles ist der Vergesslichkeit anheimgegeben, so sehr, dass wir uns manchmal tief erschrecken!

Eines aber vergessen wir nie: Wir erinnern uns ganz genau an den Geschmack des Essens, das es zu Hause gab, damals. Es ist schon unendlich lange her, und trotzdem ganz nah. An das süße Gebäck aus dem Laden um die Ecke, daran erinnern wir uns, oder an die Reibeplätzchen, die unsere Oma machte – nie mehr sonst haben wir Reibeplätzchen gegessen, die so schmeckten!  (Kinder: bestimmte Dinge schmecken nur zu Hause gut!)

Den unvergleichlichen Wein aus dem letzten Urlaub, den vergessen wir nicht; eigenartigerweise schmeckt er zu Hause gar nicht mehr so! „Hat Papa ein ‚Hasenbutter‘ mitgebracht?“… das war so eine Frage von uns Kindern, wenn mein Vater von der Nachtschicht heimgekommen war. Und dieses Hasenbutter übertraf jedes frisch geschnittene und geschmierte Brot, denn es hatte nicht nur die Wurst in sich eingesogen, sondern auch den Geschmack der Zeche, den Geschmack der Arbeit und der Nacht.

Warum bleiben eigentlich Speisen und Getränke so unvergesslich in unserem Gedächtnis? Da kann uns die Hirnforschung weiterhelfen. Sie unterrichtet uns über den Unterschied von Großhirn und Stammhirn. Und diese Auskunft sagt Wichtiges: Was in unserem Stammhirn eingelagert ist an Erinnerungen, das sitzt tief, das ist sozusagen die ‚eiserne Reserve‘ für unser Überleben. Ohne diese Tiefenschichten unseres Gedächtnisses hätten unsere Vorfahren, die Urmenschen, nicht überleben können. Sie wären an ihrer Vergesslichkeit gestorben – weil sie keine Nahrung mehr gefunden hätten oder den Weg nach Hause vergessen hätten!

Auch beim Abendmahl/der Eucharistie geht es um die eiserne Reserve dessen, was wir zum Leben brauchen, um die eiserne Reserve unsere Seele. Jesus sagt einmal: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“. Doch wovon denn? Wovon denn noch? Täglich – ob es uns guttut oder nicht – strömt ein nicht abreißender Strom von Dingen, Aktivitäten und Lebenskonzepten auf uns ein und wollen sich lebens-not-wendig machen. Immer wieder redet mir das ‚Warenhaus Leben‘ ein: ‚Das brauchst du‘! Was wähle ich aus? Kann ich noch zwischen Notwendigem und letztlich Überflüssigem unterscheiden? Was hat es schon jetzt in unseren Herzen verändert, dass zunehmend alle Bereiche unseres Lebens und Zusammenlebens zur Ware geworden sind – auch solche, die es erst einmal gar nicht sind: die Bildung etwa oder die Kultur? Geht es immer ums Geschäft?

Einmal in der Woche hat das Geschäft zu – „Und Gott ruhte am siebten Tag“. Krone der Schöpfung ist nicht der Mensch, nicht auf den Menschen läuft im Schöpfungsbericht alles zu, sondern auf die Ruhe in Gott; darauf, dass alles, was wir als Menschen ins Werk setzen, eine Orientierung und ein Ziel bei Gott hat. „Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir, Gott“, sagt der Hl. Augustinus. Ein russisches Sprichwort sagt. „Jeder Weg, den wir Menschen auf Erden gehen, ist ein Weg nach Haus“. Am 7. Tag, an jedem Sonntag, in jeder Eucharistie geht es darum, zu feiern, wovon wir leben! Das ist mehr, als einfach einen Tag frei zu haben. Es ist ein Tag, die Orientierung nicht zu verlieren, dass unser Leben nicht zerrinnt in Geschäftemacherei, in Unrast.

Fronleichnam ist der Tag, nicht zu vergessen, zu erinnern, dass das Abendmahl wie ein Koordinatenkreuz ist, auf der Reise unseres Lebens Kurs zu halten. In unserer durchökonomisierten Gesellschaft ist sie geradezu zum Reservat der Zweckfreiheit geworden! Hier bin ich nur als ‚Kum-pane‘ wichtig, d.h.: einer, mit dem ich das Brot teile, nicht als Kunde!!

Und diese Feier ist Seelenspeise! Jesus sagt: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein…“. In einem populären Lied, das oft zur Taufe gesungen wird, heißt es: „Vergiss es nie… Du bist kein Produkt des Zufalls, keine Laune der Natur… Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu; Du bist Du“.

Vergesst es nie! Wir leben von dem, was wir uns nicht verdienen und erarbeiten können, weil es unbezahlbar ist! Wir können es nicht kaufen, aber wir müssen es auch nicht, weil es uns immer wieder geschenkt wird! Wie bestimmte Speisen Gedanken lebendig werden lassen, die längst vergessen schienen, tun wir auch, wenn wir in der Eucharistie vom „Brot des Lebens“ essen mehr, als miteinander Mahl zu halten: Wir wecken in uns, woher wir kommen und wovon wir leben!

Und das lebendig zu halten, weiterzugeben, ist der Sinn, der Auftrag der Kirche. Heute im Evangelium heißt es, dass Jesus das Brot an die Jünger gab, die es wiederum weitergaben an alle. Beim Abendmahl sagt er: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ … Vergesst nie, dass das Abendmal, jede Eucharistie nicht nur Erinnerung an Jesus ist, sondern lebendiger Zugang zu der Kraftquelle, die Gott selber in mir ist. Verwenden wir unsere besten Kräfte darauf, sie zu feiern, sie gut zu feiern, und sie nicht nur „für mich“ zu feiern, sondern miteinander, in möglichst großer Gemeinschaft, über die Grenzen einzelner Gemeinden hinaus, wie heute hier in Derne. Vergessen wir das nie!