In den letzten Wochen musste ich einer Aufgabe nachkommen, die jede/r gerne vermeidet. Meine Mutter musste für einen größeren Eingriff ins Krankenhaus und damit musste ich bangen und hoffen, dass alles gut wird. Gott sei Dank war ich grundsätzlich optimistisch eingestellt, das machte es etwas einfacher. Mit dem Krankenhausaufenthalt fiel mir nun die Aufgabe des Krankenbesuchs zu. So konnte ich meinen Eindruck vom Krankenhausalltag wieder auffrischen. Ich bin den Ärzten und Pflegekräften des Johanneshospitals sehr dankbar für die großartige Arbeit, die sie dort leisten.
Nun, im Rückblick auf die vergangenen Wochen, fällt mir mit meiner christlich-theologischen Brille noch mal bewusst auf, dass dort ein zentrales Werk der Barmherzigkeit gelebt wird, nämlich Kranke zu pflegen.
Die verschieden leiblichen und geistlichen Werke der Barmherzigkeit dienen uns als Kompass und Richtschnur segensreich in dieser Welt zu wirken. Manche, wie zum Beispiel Hungrige speisen und Durstigen zu trinken zu geben, kommen uns vielleicht wie selbstverständlich vor. Andere haben es aber durchaus in sich und stellen uns vor Herausforderungen.
Das Werk der Barmherzigkeit, welches mich aber immer wieder vor die größte Herausforderung stellt und an dem ich immer wieder scheitere, ist Lästige geduldig ertragen. Ich kann mich richtig gut über andere Menschen und deren Ansichten oder Verhalten aufregen. Es ist eben auch der einfachere und bequemere Weg, sich von jemanden abzugrenzen, als mich mit seinem Anliegen ernsthaft auseinanderzusetzen.
Ich glaube, dass wir als Gesellschaft generell, aber auch innerhalb der Kirche den barmherzigen Blick auf den anderen verlernt haben. Dadurch denken wir schnell in Schwarz-weiß; in nur das eine oder das andere ist richtig; in entweder bist du für oder gegen mich.
Geht die Barmherzigkeit verloren, so geht auch unsere Fähigkeit verloren, einen ernsthaften Konsens auf Augenhöhe zu finden und verharren in den Fraktionen der Abgrenzung.
„Selig die Barmherzigen; / denn sie werden Erbarmen finden.“ So heißt es in den Seligpreisungen der Bergpredigt im Matthäusevangelium. Das dort angesprochene Erbarmen bezieht sich in erster Linie auf das göttliche Erbarmen gegenüber unseren Taten. Man kann dieses Erbarmen aber vielleicht auch auf das Zwischenmenschliche ausdeuten. Entscheide ich mich für das barmherzige Handeln und lasse mich darauf ein, so eröffne ich meinem Gegenüber den Raum, dies zu erwidern und so sich gegenseitig einander zu erbarmen und füreinander zum Segen zu werden.
Eine Garantie für ein positives Echo gibt es nicht. Der Weg der Barmherzigen ist aber auch nichts für Angsthasen und bedarf auch oft genug einer hohen Frustrationstoleranz. Die Motivation steckt darin, dass wir durch das barmherzige Wirken ein Stücken Himmel auf der Erde Realität werden lassen. Das ist es, was zählt und worauf wir unser Augenmerk legen sollten: Eine nicht-zweckgebundene und erstgemeinte Barmherzigkeit. Trauen wir uns also und sagen unser lautes und kräftiges JA zur Barmherzigkeit.