Lieben Sie eigentlich das Treiben und die Maskerade des Karnevals? Ich muss zugeben (aber das hat natürlich mit meinem Naturell zu tun), dass sich mein Enthusiasmus da in Grenzen hielt. Wobei das „Spiel“ der TOLLEN TAGE ja durchaus etwas Tiefgehendes hat und viel von uns erzählt; vor allem, wenn uns bewusst bleibt, dass der Aschermittwoch Teil der Inszenierung ist. Es ist schon eigenartig: Selbst unsere säkulare Kultur, die das Karnevalsfest kaum mehr aus seinen christlichen Wurzeln heraus versteht, beachtet diese Grenze. Am Aschermittwoch ist eben „alles vorbei“.

Wirklich? Es lohnt, die Wende vom Fastnachtsdienstag zum Aschermittwoch nicht als Bruch zu sehen, sondern als Übergang zum zweiten Teil ein- und derselben Sache – nur jetzt von der entgegengesetzten Seite. Das Thema heißt: „Wer bin ich? – Maskierungen und Demaskierung“.

Wer bin ich, wer möchte ich sein? – In allen möglichen Verkleidungen springt uns diese Frage in der Faschingsmaskerade ins Auge. Wir „spielen“ mit den Rollen, in denen wir leben oder gerne leben würden; ist doch eine Verkleidung nicht nur etwas Äußerliches. Dahinter stecken Sehnsüchte: Sich durch Verfremdung auszuprobieren, nicht erkannt zu werden, aus dem Alltag aussteigen zu dürfen, sich neu sehen zu lernen. Der Karneval ist ein Spiel mit uns und unseren Beziehungen. Wir stecken uns in andere Kleider, um uns selbst zu finden.

Doch bliebe unser Leben unterentwickelt und unreif, würden wir es nie schaffen, aus diesem Spiel herauszufinden. Dem dient die „Demaskierung“ des Aschermittwochs und der kommenden Fastenzeit. Sie ist ein Angebot zu lernen, reifer und authentischer mit uns umzugehen, von der Frage „Wer wäre ich gerne?“ zur Aussage „Ich bin ich!“ zu finden.

Der Ritus, sich Asche auf den Kopf streuen und sagen zu lassen: „Kehr um!“ oder gar: „Bedenke Mensch, dass du Staub bist“, hat einzig dieses Ziel: Nimm dich wahr, wie du bist und wer du bist. „Kehr um“ bedeutet nicht, ein anderer zu werden oder ein neues Leben anfangen zu wollen, sondern zu uns selbst umzukehren, um von da aus unsere Beziehung zu Gott und zu den Mitmenschen mit neuen Augen zu sehen zu können! Vom Kirchenvater Irenäus von Lyon (2. Jh.) stammt das Wort: „Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch“. Ich bin damit gemeint, so wie ich geschaffen bin. Dazu muss ich mich nicht verkleiden und kein anderer werden!

Eine gesegnete Fastenzeit wünscht Ihnen

Ihr Georg Birwer