Wenn diese Gemeindenachrichten erscheinen, ist entweder der fünfte Tag des Konklaves erreicht, oder es sind nur wenige Stunden oder Tage vergangen, seit ein neuer Papst gewählt wurde. Unabhängig davon, welcher Kandidat gewählt wurde oder wird, steht er vor der großen Aufgabe, Garant sowohl für die Einheit als auch für die Vielfalt der Kirche zu sein.
Ist das überhaupt möglich – oder gleicht es der Quadratur des Kreises? Wie kann man eine Kirche einen, die auf jedem Kontinent anders „tickt“? Eine Kirche, die überall mit anderen Herausforderungen und sehr unterschiedlichen gesellschaftlichen Bedingungen konfrontiert ist? Wie viel Verschiedenheit und Vielfalt darf in den einzelnen Ländern zugelassen werden, ohne dass die Einheit und Zusammengehörigkeit unkenntlich wird? Welcher (Minimal-)Konsens ist notwendig, damit Vielfalt in der Einheit möglich bleibt?
Diese Aufgabe ist riesig – und sie betrifft nicht nur den Papst. Auch wir im Dortmunder Nordosten müssen als Pastoraler Raum immer wieder sowohl unsere individuelle Vielfalt wahrnehmen als auch den gemeinsamen und verbindenden Glauben, der uns auffordert, vereint in die Zukunft zu gehen.
Das Erzbistum Paderborn „tickt“ in seinen vielfältigen Regionen – ob Stadt oder Land – jeweils unterschiedlich, und doch will und muss auch hier Einheit entstehen. Ebenso stellt sich diese Herausforderung in der säkularen Welt: Wie kann in einer bunten, vielfältigen Gesellschaft ein gemeinsamer Konsens geschaffen werden, der uns als Staat zusammenhält?
In einer Zeit, in der Welt und Gesellschaften mehr denn je auseinanderzudriften scheinen und Vielfalt manchmal sogar zur erbitterten Rivalität führt, wäre ein verbindendes Element ein großes Geschenk.
Eine Organisation, die als echte Chance gesehen werden kann, ein Beispiel für Einheit zu sein, ist die katholische Kirche: 1,4 Milliarden Menschen aller Ethnien und Kontinente werden durch sie vereint. Sie will Grenzen überwinden und Einheit stiften – so, wie es schon im Galaterbrief 3,28 vor fast 2000 Jahren beschrieben wurde:
„Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ‚einer‘ in Christus Jesus.““
Eine solche Einheit kann jedoch nur entstehen, wenn wir uns bewusst davor hüten, uns auf letzte Details festzulegen, und stattdessen aus einem Geheimnis leben, das das Heil aller Menschen will. Wie ist das gemeint? Denken Sie an Gott: Er ist Einheit und Vielfalt zugleich. Die Kirche hat sich in der frühen Kirchengeschichte auf dieses Geheimnis geeinigt, weil es so viel Freiraum schafft, diesen Gott in seinen drei Personen zu erfahren – ohne sich genau festzulegen, wie er ist. Auch das Gebot „Du sollst dir kein Bild von Gott machen“ erinnert uns daran: Wer sich ein festes Bild macht, legt Gott fest und könnte ihn verpassen, wenn er in einer ganz anderen Gestalt erscheint.
Wir Christen sind daher berufen, Einheit aus einem inneren Geheimnis heraus zu leben, das vielfältig neu entdeckt werden muss. Christen schaffen Einheit, die nicht exklusiv ist, die kein „Entweder-Oder“ produziert. Christen schaffen eine umfassende Einheit, weil sie wissen, dass alle nur einen Anteil am Geheimnis Gottes haben – niemand kann oder darf sich über den anderen erheben. Im Gegenteil: Der Höchste sollte aus diesem Bewusstsein heraus der Diener der Geringsten sein.
So hoffen und beten wir für den neuen Papst – und für uns selbst –, dass uns diese einende Haltung für die vielfältige Welt gelingt.