Worte schaffen Wirklichkeit. Diese Gewissheit erfahren wir im alltäglichen Leben. Denken Sie an das Teenager-Paar, bei dem einer dem anderen seine Liebe gesteht. Nachdem einer ein solches Geständnis ausgesprochen hat, muss sich der andere dazu verhalten. Man kann nicht mehr hinter diese Worte zurück und nun muss Freundschaft oder Liebesbeziehung, Trennung oder gemeinsame Zukunft verhandelt werden.
Auch biblisch spielt das gesprochene Wort eine entscheidende Rolle: Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott (Joh 1,1). Die Worte Gottes eröffnen uns einen neuen Blick auf die Welt; auf eine Welt als Schöpfung. Die Worte Gottes eröffnen uns Gebote, zu denen wir uns verhalten können: Sei nicht rachsüchtig noch trag deinem Nächsten etwas nach, sondern liebe deinen Nächsten wie dich selbst (Lev 19,18).
Es ist das Wort Gottes in den vielen Erzählungen des Alten Testaments, das Vorschläge zur Lebensgestaltung gibt. Das Wort Gottes steht im Raum und ich muss mich dazu verhalten.
Und wir als Christen bekennen: Und das Wort Gottes ist Fleisch geworden (Joh 1,14). Jesus ist das Ursakrament, da in ihm das liebevolle Wort, das Gott zu uns spricht, leiblich wurde. Denn Sakramente sind genau das: Zeichen der liebevollen Zuwendung Gottes zu uns. Als Christ muss ich mich also zu Jesus und seinem Leben verhalten. Wenn ich ihn kenne und seine Botschaften höre, wird mir eine neue Wirklichkeit erzählt und ich erhalte neue Möglichkeiten, mich zu diesen Botschaften zu verhalten.
Deswegen sollten wir immer wieder auch von der Sakramentalität des Wortes sprechen. Was meine ich damit? In jedem Gottesdienst, egal ob Eucharistiefeier, Wort-Gottes-Feier oder Andacht, überall werden Worte Gottes vorgetragen und ausgelegt. Da kommen Worte auf mich zu und ich werde nie wieder der sein, der diese Worte nicht gehört hat. Wenn ich diese Worte höre, sie im Herzen abwäge und sie in mein Handeln übergehen, dann wir das Wort auch ein Stück weit Fleisch in mir. Ich kann zu einem Sakrament werden, das die liebende Zuwendung Gottes zu den Menschen widerspiegelt. Die französische Mystikerin Madeleine Delbrêl hat in einem Gedicht geschrieben: „Wir wissen, dass wir durch [Jesus] / ein Scharnier aus Fleisch geworden sind, / ein Scharnier der Gnade, […]. / In uns vollzieht sich das Sakrament deiner Liebe. […] / Durch uns zieh sie zur dir hin, / damit sie dir in uns begegnen […]“
Am Ende dieses Vorwortes möchte ich noch auf die aktuelle politische Situation eingehen. Mir macht es Angst, dass von den rechten Rändern unserer Gesellschaft Worte gesprochen werden, die anscheinend in so viele Leiber Einzug erhalten, die eine ganz andere Welt und Wirklichkeit etablieren wollen. Es sind Worte, die nicht Zuwendung bewirken, sondern ausgrenzen, die Kriterien von „deutsch-sein“ ins Spiel bringen, die exklusiv und willkürlich sind und die mich erschüttern. Lassen sie uns lieber am Einheit stiftenden Wort Gottes festhalten!