Nach der Corona-Pandemie und dem Beginn des Ukraine-Krieges sprechen viele von „Zeitenwende“, allen voran Bundeskanzler Scholz. Wir spüren in der ganzen Gesellschaft, wie unsere Werte sich verändern, wie bisherige Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt werden und neue Themen auftauchen. Auch im Volke Gottes spüren wir diese massive Veränderung. Der sonntägliche Kirchgang ist für viele nicht mehr selbstverständlich, die früher noch regelmäßig da waren. Viele ehrenamtlich Tätige haben ihren Dienst aufgegeben – und nicht nur aus Bequemlichkeit. Die Zahl der jungen Menschen, die einen pastoralen Beruf ergreifen wollen, hat drastisch abgenommen. Und viele Aufgaben, denen sich die Gemeinden in der Vergangenheit gestellt haben, können nicht mehr weitergeführt werden. In vielen Fällen ist das sehr bedauerlich, und jeder Verlust ist mit Trauer verbunden.

Auch die junge Christengemeinschaft ist mit dieser Frage konfrontiert. Die Menschen damals sehen einen riesigen Berg an Aufgaben vor sich, aber haben gar nicht die Kräfte, alles das zu tun, was ihnen vorschwebt. Jesus bringt das auf den Punkt, wenn er sagt: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter.“ Das geht heute manchmal bei der Frage los: „Wer schleppt die Stühle?“ oder „Wer spült nach dem Fest?“ bis hin zu der Frage: „Wer feiert mit uns die Gottesdienste?“ oder „Wer sorgt dafür, dass in unserem Dorf oder unserer Siedlung die Frohe Botschaft unter die Menschen gebracht wird?“ oder „Wer hat Lust, in ein Priesterseminar zu gehen?“

Eine Zeitenwende bringt es mit sich, dass neue Themen auf den Tisch kommen (müssen): Wir brauchen eine neue und differenzierte Kultur unserer Gottesdienste, die nicht nur auf den Priester fixiert sind. Uns begegnen Menschen, die bisher aufgrund ihrer sexuellen Orientierung außen vor waren. Die Entwicklung der Digitalisierung erfordert neue Fähigkeiten. Und der Hunger in der Welt und der Klimawandel braucht auch Menschen mit christlicher Überzeugung, die sich einmischen.

Wenn in Zukunft verstärkt in unserem Pastoralen Raum Wort-Gottes-Feiern angeboten werden, ist das ein deutliches Signal dafür, dass auch in der Kirche eine Zeitenwende im Gang ist. Sie fordert uns tatsächlich heraus, denn: Die Ernte ist groß… – bittet also den Herrn der Ernte. Letztlich brauchen wir dieses Vertrauen und einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft.

Reinhard Bürger