12. Sonntag im Jk. A

Unser Alltag basiert auf dem Umgang mit Zahlen. Gigantische Datenmengen werden vorgehalten, um statistische Aussagen zu treffen: über unser Wahlverhalten, die Entwicklung der Wirtschaft, Konsumverhalten, zu medizinischen Zwecken … und zu Vielem mehr. Der Blick auf diese Grundlage für Auswertungen muss den Laien verwirren und erzeugt eine gewisse Trostlosigkeit. Erst die Ergebnisse der raffinierten Algorithmen verschaffen uns eine zwiespältige Orientierung. Nicht wenige meinen, dass sich doch ganz erhebliche Bereiche unseres Lebens vorausberechnen, bewerten und absichern lassen.

Kein Wunder also, dass auch die Nachrichten voller Zahlen stecken. Prognose der Umweltzerstörung, Corona, der Arbeitsmarkt, Flüchtlinge, Rentensteigerung … Eine Herrschaft der Zahlen?

Das Zählen beginnt schon bei der Geburt: Wie schwer ist es denn, das Baby? Und setzt sich fort im Kleinkinderalter: Mein Türmchen besteht aus acht Klötzchen. In der Schule gibt es dann Noten und Punkte. Und im Erwachsenenalter heißt es dann: Meine Wohnung hat so viele Quadratmeter, mein Auto so viele PS, ich verdiene so viel Geld, meine Körpermaße sind …

Politiker orientieren sich an Umfragewerten und zweimal im Jahr wartet die Gesellschaft auf das prognostizierte Wirtschaftswachstum mit Zahlen vor und hinter dem Komma. Auch im Wirtschaftsleben sind es Zahlen, welche die Pandemie beschreiben: Wie viele Menschen in Kurzarbeit? Um wie viele Menschen steigt die Arbeitslosenzahl? Wie vielen Geschäften droht die Insolvenz? Zahlen qualifizieren unser Leben, geben Auskunft darüber, wer wir sind und oft auch wie viel wir wert sind.

Leider ist diese Herrschaft der Zahlen auch schon in der Kirche ausgebrochen. Zu früheren Zeiten gab es in der katholischen Kirche zur Buße fünf „Vaterunser“ und drei „Ave Maria“. Heute starren wir auf die Zahlen von Taufen und Eheschließungen und auf die des Gottesdienstbesuches. Dafür gibt es sogar Zählsonntage. Und sind dann erschrocken, ernüchtert, wenn die Zahlen der Taufen, der Kommunionkinder, der Beerdigungen und der Gottesdienstbesucher/-innen von Jahr zu Jahr sinken. Oder wir verfallen der Faszination der großen Zahlen. Berauschen uns an den Zehntausenden, die Kirchentage besuchen – wohl ahnend, dass die Zahlen nicht besonders aussagekräftig sind. Dennoch wird der Aufwand fürs Glaubens- und Seelenheil immer größer, ein einfacher Gottesdienst wie heute – reicht er nicht mehr aus?

Auch die Bibel kennt die Welt der Zahlen. Doch hat sie ein ganz eigenes Verhältnis dazu. Schon der Psalmist weiß, dass bei Gott hundert Jahre wie ein Tag sind, der gute Hirte lässt 99 Schafe im Stich, um eines zu retten und der Himmel freut sich mehr über einen Sünder, der sich bekehrt, als über 100 Gerechte. Gott verfällt nicht der Faszination der großen Zahl und wird von der kleinen nicht gelähmt, er führt die Herrschaft der Zahlen ad absurdum. Von ihm sollten wir lernen.

Liebe, Gnade, Glauben lassen sich nicht messen, nicht quantifizieren. Die Gnade Gottes – auf sie kommt es an. Und sie ist nicht messbar, weil sie immer Geschenk ist. Und jeder und jede bekommt sie geschenkt, weil jede und jeder wichtig ist.