4. Sonntag der Osterzeit A
„Ich bin der Größte!“, behauptete einst der Boxer Muhammad Ali – und sagte damit allen Konkurrenten den Kampf an.
„Ich bin ein Berliner!“, verkündete der US-Präsident John F. Kennedy und erklärte sich so solidarisch mit der eingekesselten und geteilten Stadt Berlin und ihren Bewohnern.
Wer bin ich?
Ehefrau, Ehemann? Mutter, Vater? Tochter, Sohn? Schwester, Bruder? Freundin, Freund? Kollege, Kollegin? Bin ich von vielem etwas? Oder bin ich mehr als all das?
Wer bin ich?
„Ich bin die Tür zu den Schafen!“, ruft Jesus. Und damit sagt er allen Dieben und Räubern, allen falschen Hirten, den Kampf an. „Ich bin die Tür!“, sagt Jesus den Menschen.
„Ich bin…“, sagt Jesus, nicht „Ich wäre gerne!“;
nicht „Ich könnte Tür werden, wenn ihr mich unterstützt.“;
nicht „In mir steckt das Zeug zur Tür.;
nicht „Ich bin jetzt Tür, bis ein anderer kommt, der das besser kann.“
Nein, Jesus sagt „Ich bin die Tür!“ Und das gilt heute noch genauso, wie damals: „Ich bin!“
„Ich bin die Tür zu den Schafen!“ Mit diesem Bildwort erinnert Jesus an den berühmten 23. Psalm, der das Ideal eines Hirten besingt: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser…“
Und Jesus sagt damit: Ich bin der, den Gott seinem Volk immer wieder angekündigt hat. Ich bin der, der gekommen ist, um euer Leben in Ordnung zu bringen. Ich bin der, den euer uraltes Lied immer wieder besungen und erfleht hat. Ich bins – der gute Hirte!
Jesus sagt: „Wer durch die Tür hineingeht, ist der Hirt der Schafe. Ihm öffnet der Türhüter und die Schafe hören auf seine Stimme.“
Auf welche Stimme hören wir?
Auf wen höre ich?
Auf meinen inneren Kompass?
Auf das, was Medien mir anbieten?
Auf Jesus?
So viele Stimmen gibt es, die unser Leben bestimmen. Manche Stimmen tragen wir in uns. Vielleicht auch so genannte „Sklavensätze“, die wir seit unserer Kindheit kennen:
„Das schaffst du eh nicht!“
„Das kann deine Schwester aber viel besser als du.“
„So kann aus dir ja nichts werden.“
„Hättest du mal was Gescheites gelernt.“
Die Stimmen, die wir hören, bestimmen unser Denken und Tun. Deshalb ist es wichtig, sich diese Frage zu stellen: Auf wen höre ich?
Jesus schenkt uns dieses schöne Bild vom guten Hirten: „Er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus. Wenn er alle sein Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme.“ Und was der gute Hirte in den drei Jahren seines öffentlichen Lebens sagt, das macht Mut:
„Kommt her zu mir, ich will euch Ruhe verschaffen!“
„Deine Sünden sind dir vergeben!“
„Sieh, ich mache alles neu!“
„Steh auf und geh!“
„Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende!“
„Ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt und es in Fülle habt!“
Zu jedem und jeder von uns will er ganz persönlich sagen: Ich bin dein guter Hirte! Dieser Hirte reißt keinem die Ohren ab, sondern füllt alle Ohren mit seiner frohen Botschaft. Dieser Hirte zeiht keinem die Hammelbeine lang, sondern er richtet uns auf, stellt uns auf unsere Füße und geht unseren Weg mit uns.
Und das Erstaunliche: Inmitten all der vielen Schafe kennt dieser gute Hirte die Seinen. Wo für uns alles ganz gleich aussehen mag, da erkennt er Unterschiede, Eigenheiten, unveränderliche Merkmale, die jedes Schaf zu einem einmaligen Wesen machen. Keine wollige Massenware, keine blökenden 08/15 Exemplare, sondern alles einmalige Individuen.
Mit so manchem Schaf verbindet der Hirte persönliche Geschichten:
„Dich habe ich schon mehrmals suchen müssen, weil du dich verirrt hattest. Jedes Mal habe ich dich wieder nach Hause getragen.“
„Um dich mußte ich mich von klein auf besonders kümmern.“
„Und du, du bist mir erst spät begegnet. Du hast lange gemeint, du kämst allein klar. Du hattest immer schon einen Sturkopf.“
Dich habe ich wochenlang gepflegt, als dich die Kräfte verlassen hatten. Ganz besondere Kräuter habe ich für dich gesucht.“
Schwestern und Brüder,
wer diesem Hirten nachfolgt, der weiß: etwas Besseres kann mir gar nicht passieren, als in die Herde Jesu zu gehören. Nirgends gibt es für mich größere Freiheit, als in der Nachfolge dieses Hirten.
„Ich bin…“, sagt Muhammad Ali.
„Ich bin…“, sagt John F. Kennedy.
Wer bin ich?
Vielleicht will ich heute, am Gute-Hirten-Sonntag, auch ein Ich-bin-Wort sagen: „Ich bin. Ich bin gerne Schaf, solange ich in die Herde Jesu, des guten Hirten, gehöre der mir voran geht und dem ich nachfolgen darf.“
AMEN.
Stefan Wallek