„Verschaff mir Recht gegen meine Widersacher!“, so verlangt es die Witwe vom Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm, im Evangelium des 29. Sonntags i. Jk. (Lesejahr C). Der Richter kommt zu dem Ergebnis, der Witwe wohl zu helfen, aber wohl mehr aus Angst (sonst kommt sie, und schlägt mir ins Gesicht) denn aus Einsicht.

„Verschaff mir Recht“, so fordern auch die Menschen, die ihr Schicksal als homosexuelle Menschen in einer Ausstellung der ökumenischen Arbeitsgruppe „Homosexualität und Kirche“ benennen. Die Ausstellung war vom 4. bis zum 18.9.2022 in unserem Pastoralen Raum zu sehen, verortet in der Franziskus-Gemeinde.

„Verschaff mir Recht“, so fordert auch die Ukraine seit dem 24.2.2022, seitdem russische Streitkräfte in das Land einmarschiert sind und es mit einem Angriffskrieg überzogen haben. Sie fordert dabei Unterstützung von Europa, der Nato, den USA, der UN, eigentlich von allen, die sich ebenfalls sicher sind, dass das, was durch das russische Regime in der Ukraine passiert, gegen das Völkerrecht, gegen Menschenrecht, wohl auch gegen Kriegsrecht, gegen die Menschlichkeit, eigentlich gegen alles verstößt, worauf wir uns hier im sog. „Westen“ in den letzten Dekaden haben verlassen können.

„Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?“, so heißt es im Evangelium weiter.

Wenn wir nur festen Glaubens wären.

Ich empfinde in diesen Worten des Evangeliums eine große Spannung. Einerseits verlangt mein Glaube von mir die Überzeugung, dass Gott schon eingreifen wird, wenn wir zu ihm stetig beten und ihn bitten, auch wenn wir sein Handeln nicht oder nicht sofort erkennen können.

Andererseits steht doch immer wieder auch die Frage im Raum: „Wie konnte Gott das zulassen?“, wenn es um schreckliche Vorgänge geht. Und die Vorgänge in der Ukraine sind schrecklich, wir alle wissen es.

In meinem Notenbestand findet sich ein Buch mit den „schönsten Liedern von Frederik Vahle“. Da sind viele lustige Lieder drin, von denen ich schon so manches mit meinen Enkeln musiziert und gesungen habe.

Da findet sich auch das (ernste) „Friedenslied für kleine und große Leute“. Darin heißt es in zwei ausgewählten Strofen:

Frieden auf der ganzen Welt
und kein Land, das dabei fehlt.
Frieden auf der ganzen Welt
und kein Land, das dabei fehlt.
Das soll unsre Hoffnung sein.

Frieden kommt nicht von allein.
Frieden muss geschaffen sein.
Gegen alle Todeswaffen
müssen
wir den Frieden schaffen.
Frieden kommt nicht von allein.

Bei allem Gottvertrauen: WIR müssen den Frieden schaffen, WIR müssen Recht verschaffen, jeder in seinem Umfeld und mit seinen Möglichkeiten im christlich demokratischen Wertekanon. WIR müssen die Dinge anstoßen. Dann wird Gott das Seine dazutun, wenn wir auf ihn vertrauen, zu ihm beten und ihn bitten.

Georg Heßbrügge