Predigt zum Gemeindefest am 1. September 2024 in der Franziskus-Gemeinde
Schriftwort: Lk 10,38-42, Maria und Martha
„Ungeteilt feiern“, wenn uns das möglich ist – dann ist das vielleicht das schönste, was es gibt. Nicht besetzt zu sein von Sorgen, nicht mehr noch halb bei der Arbeit zu sein – sich freuen können am Miteinander, an einem deftigen Essen – vielleicht mit einem guten Bier, einnehmender Musik, dem Gottesdienst jetzt, dem Wiedersehen mit alten Bekannten.
Wissen Sie was für mich mindestens (und ohne jede Ironie!) das zweitschönste ist, was es gibt: Ungeteilt arbeiten zu können. Ist das nicht mindestens ebenso erfüllend – und genauso notwendig? Sich einer guten und lohnenden Aufgabe hingeben zu können, mit ganzem Herzen bei einer Sache sein. Über einem Werk an dem ich bin, vielleicht sogar Raum und Zeit zu vergessen.
Das scheint mir des „Pudels Kern“ auch in unserem heutigen Evangelium. Sie mögen beim Hören vielleicht gewundert haben. Warum dieser Text zum Gemeindefest!? Schnell verstehen wir die Geschichte von Maria und Martha ja oberflächlich und damit falsch, so als preise Jesus hier die Beschaulichkeit – auf Kosten des tätigen Engagements, der tagtäglich notwendigen ‚Kleinarbeit“.
Man muss nur ein wenig genauer hinschauen, um zu sehen, dass Jesus aus Sorge um Martha spricht, auf das Unwirsche, Unzufriedene ihrer Worte reagiert: „Martha, Martha…“ man meint fast, den Klang der Stimme Jesu zu hören: „Mach mal halblang, komm mal runter…“. Angesichts der Hektik, die sie verbreitet, hat er seine liebe Mühe mit der Freundin. „Eines nur ist notwendig“ – Immer nur eins.
Gut, dass der Text in der neuen Einheitsübersetzung urtextnäher steht und dem Missverständnis der Wertung vorbeugt. Früher hieß es „das Bessere“ hat Maria erwählt. Heute, korrekter: „Maria hat das Gute erwählt“.
Jesus kritisiert das ‚geteilte Herz‘, weil es uns entfremdet und die Kraft nimmt. Dafür ist die Geschichte der beiden ungleichen Schwestern wie ein Gleichnis.
Die folgende Geschichte werden Sie vielleicht kennen: „Ein Meister der Meditation wurde einmal gefragt, wie er es fertigbringe, in allen Situationen die Ruhe zu bewahren. Er antwortete: ‚Wenn ich sitze, dann sitze ich, ….stehe, ….gehe….’ . Darauf der Frager: ‚Das kann es doch nicht sein, das tun wir doch auch’! Der Weise antwortete: ‚Nein, das tut ihr nicht. Wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon, wenn ihr steht, dann geht ihr schon, wenn ihr geht, dann seid ihr schon am Ziel.’ “
Das bedeutet doch: Das Geheimnis der Lebenskraft des Meisters liegt darin, immer nur eine Sache zu tun, und die ganz.
Und die innere Wurzel der Unruhe, immer zwei Dinge zugleich zu tun: Frühstücken und Zeitung lesen, Auto fahren und Musik hören, sich unterhalten und fernsehen, erzählen und auf die Uhr sehen, zu Bett gehen und den nächsten Tag planen, Arbeiten und sich nach dem Urlaub sehnen, Urlaub haben und an die Arbeit denken.
Das geht!… aber es hat seinen Preis: beiden Dingen gerecht werden können wir nicht. Notgedrungen bleiben wir an der Oberfläche, nehmen nicht den Wert der Gegenwart wahr, entdecken nichts Neues, Originelles – da kann es kein Fest geben, weil wir verschlossen bleiben und nicht in Beziehung treten.
Jesus sagt: „Eines nur ist notwendig. Immer nur eines! Für ich geht es darum: In allem kann ich Gott suchen und finden in jeder Lebenszeit zur Mitte kommen! Und sas heißt doch – ganz schlicht: Wenn du feierst, erlaube dir, ungeteilt zu feiern; wenn du arbeitest, dann sei ganz bei der Arbeit; wenn du schläfst, erlaube dir, zu schlafen; wenn du krank bist, erlaube dir, krank zu sein;
Die Hl. Theresa v. Avila hat den Kern des Evangeliums ja mit einem berühmt gewordenen Satz auf dem Punkt gebracht: „Wenn fasten, dann fasten, wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn“.
Die Geschichte von Maria und Martha ist für mich darüber hinaus wie ein treffendes Gleichnis für die Kirche heute, und damit eine schöne Geschichte für ein Jubiläum an der Schwelle einer neuen Zeit.
50 Jahre Franziskuszentrum! Gerne erinnern wir uns heute an wunderbare Jahre. Wir sind stolz auf ein Zentrum, das lebt, auf den schönen, ausdrucksstarken Kirchenraum. Wir sind dankbar für die vielen Frauen, Männer, Jugendlichen und Kinder, die das Leben hier durch die Jahrzehnte getragen haben. Mittlerweile drei Generationen hat diese Gemeinde, hat das Franziskuszentrum geprägt. Was für ein Schatz!
Aber: Wir feiern nicht die Vergangenheit – hoffentlich! Wir feiern im Heute und, hoffentlich, das Heute. Alles andere wäre das Aufrichten eines Museums.
Da spricht für mich unser Evangelium ungemein stark. In Matha erkenne ich die Gefährdung vieler engagierter Christen heute, immer dann, wenn wir eine vergangene Zeit (in der die Gottesdienste gefüllter und die Gemeinde lebendiger war) gegen eine nüchterne, herausforderndere Gegenwart ausspielen: „Herr, kümmert es dich nicht?“ Was haben wir nicht alles schon getan und versucht, eine weltoffene Kirche zu erhalten?!
Und Jesus, im Gleichnis gesprochen, verweist uns auf Maria. Ich wage einmal eine Vision, vielleicht völlig unrealistisch… Aber ist es nicht an der zeit, einmal neu-, querzudenken?
Ein Jahr lang machen wir, mit allen Gemeinden des Dortmunder Nordostens, ein ‚Mariajahr‘. Wir tun in diesem Jahr nur das unbedingt Notwendige, das Alltagsgeschäft. Ein Jahr lang setzen wir uns zu Jesus, um mit ihm ins Gespräch zu kommen, was ER uns für den Weg der Kirche heute auf den Weg gibt.
Und dann machen wir, gestärkt und hinterfragt durch die Weisung Jesu, ein ‚Marthajahr‘, alle Gemeinden des Nordostens gleichberechtigt. Wir gehen an die vor uns liegenden zeit wie vor gut 60 Jahren die Menschen im damaligen Neu-Scharnhorst. Wir sehen unsere Orte wie eine ‚neue Stadt‘, in der wir neu eine Gemeinde bauen.
Zwei Buchtitel von Roger Schutz aus den 60er Jahren kennen viele von Ihnen. Zusammengelesen haben sie eine Botschaft, die gerade für uns heute spricht: Wann kann es zum „Fest ohne Ende“ kommen? Wenn wir „Im Heute Gottes“ leben. Amen