Predigt 15. Sonntag im Jahreskreis A 2023

Schwestern und Brüder,

die Universität München veröffentlichte vor kurzem eine Studie über das Internet-Verhalten von Menschen, die eigentlich nur bestätigte, was wir schon lange wissen: negative Vokabeln in den Schlagzeilen von Internet-Portalen erhöhen die Klickzahlen. Schlagzeilen mit positiven Vokabeln bieten für die Leserinnen und Leser keinen so hohen Anreiz, diesen Artikel zu lesen. Traurigkeit, Angst, Gewalt sind gut für Klicks, Freude und Hoffnung weniger gut…

Diese Neigung des Menschen hat einen eigenen Begriff bekommen: Doomscrolling – der Zwang, negative Nachrichten zu konsumieren. Das scheint etwas im Menschen fest Verankertes zu sein. Auch schon zu Zeiten vor dem Internet verkauften sich Zeitungen mit schlimmen Nachrichten besser, als die mit guten. „Bad news are good news.“ – „Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten.“, heißt das Motto!

Woran das liegt darüber ist sich die Forschung nicht einig.

Vielleicht liegt es daran, daß Menschen grundsätzlich pessimistisch eingestellt sind und sie sich von negativen Schlagzeilen erhoffen, in ihrer Voreingenommenheit bestätigt zu werden.

Vielleicht ist es auch ein evolutionärer Überlebensmechanismus: man will herausfinden, was gefährlich oder schädlich ist, um es zu überwinden oder um sich zu schützen.

Doomscrolling führt mittlerweile zu erheblichen gesundheitlichen Problemen. Die Häufung der negativen Nachrichten führt zu Stress, Depression, zu Panikattacken, Schlafstörungen…

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In der heutigen Lesung aus dem ersten Testament spricht der Prophet Jesaja von der großartigen Wirkung des Wortes Gottes. Dieser Text ist entstanden am Ende der Exilszeit, kurz bevor die Verschleppten aus Babylon wieder zurückkehren dürfen nach Israel. Viele Jahrzehnte mussten die Israeliten in der Fremde leben, viele kennen Jerusalem nur noch aus Erzählungen. Eine gute Botschaft würde jetzt sicher auf fruchtbaren Boden fallen. Doch dieser guten Botschaft müssen die Adressaten auch glauben können.

„Seht in die Natur!“, sagt der Prophet ihnen. „Seht in die Natur, die Gott durch sein Wort geschaffen hat: wenn ihr Regen und Schnee seht, wenn ihr Wachstum und Ernte erlebt, wenn ihr erlebt, wie das alles durch Gottes Wort entsteht – wie könnt ihr dann daran zweifeln, daß sein Wort über euch, daß ihr heimkehren werdet, gilt? Was Gott sagt, das tut er auch. Er steht zu seinem Wort!“

Eine alte und immer neue Einladung, die auch uns heute gilt!

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Ich sprach zu Beginn der Predigt vom Doomscrolling, also vom Zwang, negative Nachrichten zu konsumieren. Das Gegenteil davon, also den Zwang, positive Nachrichten zu lesen, gibt es nicht. Und trotzdem bin ich zutiefst überzeugt: die Menschen brauchen gute Nachrichten, sie brauchen die frohe Botschaft!

Im Wissen um das bisher Gesagte ist die Frage: Wie die gute Nachricht zu den Menschen bringen?

Wohl nicht, indem man sich an der Produktion von negativen Schlagzeilen beteiligt – mit Angst und Strafe hat man im Zusammenhang mit der Frohbotschaft viel kaputt gemacht…

Wahrscheinlich gibt es nicht DAS Rezept, nicht DIE Lösung.

Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick hat einmal geschrieben: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Was er damit sagen wollte: selbst wenn wir kein Wort sagen, kommunizieren wir durch unsere Körperhaltung, durch Mimik und Gestik. Auch dass wir nichts sagen, sagt viel. Wir Menschen senden immer Botschaften an unsere Umwelt.

Was Watzlawick gesagt hat, können wir auf uns Christinnen und Christen abwandeln und sagen: „Wir können nicht nicht verkünden.“

Die Menschen brauchen die Frohe Botschaft Jesu wie der Acker den Samen braucht, um neu Nahrung hervorzubringen.

Die Menschen brauchen gute Worte, wie sie der Sämann auf den Acker bringt.

Und wir verkünden nicht nur mit Worten, sondern auch mit unserem Schweigen, mit unserem brummigen Gesichtsausdruck, in unserem Vorbeigehen und Vorbeisehen an der Not anderer.

Wir verkünden auch durch unsere Taten – die guten wie die schlechten.

Schwestern und Brüder,

wir dürfen darauf vertrauen, so wie die Israeliten im babylonischen Exil: wenn wir Gottes frohe Botschaft verkünden, wird sie auch bei den Menschen ankommen – wir dürfen darauf vertrauen, weil der Herr uns dazu ermuntert. Weil er uns verspricht, dass unser Künden Frucht bringt!

Vielleicht hat unsere frohe Botschaft größere Schwierigkeiten bei den Menschen anzukommen, als die schlechten Nachrichten, doch wenn sie einmal beim Menschen angekommen und von ihm aufgenommen ist, kann das Wort Gottes die Welt und den Menschen heilen.

AMEN.