21. Sonntag im Jahreskreis / B
Seine Schüler aber – es waren sehr viele! – riefen ihm zu: ‚Das war eine harte Rede, bitter und scharf – wer mag sie hören? Wer kann noch bleiben bei dir?“ Den Anfang unseres Evangeliums zu hören (und dann noch in dieser ‚ungeschminkten‘ Urtextnähe der Übersetzung von Walter Jens) ist verstörend.
Gibt es das für Sie: Worte Jesu, die zumindest schwer verdaulich, wenn nicht gar unerträglich sind? Wie ist das mit: „Liebt Eure Feinde…“, oder: „Lasst die Toten ihre Toten begraben“? Da muss man das Eckige und Kantige schon lange drehen und wenden, bis es für mich wieder zu dem Jesus passt, der mir vertraut, der mir nahe ist. „Du sollst dir kein Bild machen“, heißt es im ersten Gebot. Habe ich ein zu harmloses Bild von Jesus, eines, dass das Unbedingte, das Harte und manchmal schneidend Scharfe weglässt?
Und es ist ja nicht nur manche Kompromisslosigkeit, die zurückschrecken lässt. Ganz anders kann auch Jesu unbedingtes Vertrauen in den Vater, seine Sorg-Losigkeit befremden. Denken Sie an die Geschichte vom Sturm auf dem See. Die Jünger mühen sich ab und er liegt da und schläft. Sorglosigkeit angesichts der Wirklichkeit des Bösen in der Welt, des Leidens der Schöpfung. Ist das hilfreich?
Fridolin Stier, ein bekannter Theologe der Nachkriegszeit, ein großer Gottsucher, ringt in seinem Tagebuch „Vielleicht ist irgendwo Tag“ mit einem solchen, für ihn naiven Glauben. Er sitzt auf der Terrasse und sieht, wie sein Kater einen Vogel frisst – und es fällt ihm das Wort Jesu aus der Bergpredigt ein, sich um nichts zu sorgen: „Kein Spatz fällt vom Dach… ! Stell dich dazu, Herr! Lass dich auslachen für diesen ‚mehr-wert-als-alle-Spatzen-Glauben‘! – Erster Augenaufschlag am Morgen. Von der Veranda herein kommt der Kater mit einem Vogel im Maul – einem halbflüggen Dompfäffchen…… Unerträglicher Herr, ist das dein Recht und deine Macht und deine Herrlichkeit?? das Dompfäffchen zwischen den Zähnen… wie es dir piepsend, kläglich das Morgenlob jammert – und stirbt
Ich gestehe: Ganz oft sitze ich so ‚zwischen den Stühlen‘, wie F. Stier, sehe beide Seiten des Lebens: Ich spüre den Glauben, der mich trägt, aber sehe auch abgrundtief Böses, das mich zweifeln lässt, und ich bekomme es nicht zusammen. Da ist die Lebensfülle: Verliebte Menschen; die Freude über ein Neugeborenes; mutiges Engagement, die Dankbarkeit für Freundschaft, ein praller Sommertag … Doch mittendrin, unerwartet kommen Einbrüche: Der Ruf an das Sterbebett einer jungen Frau mit kleinen Kindern; Menschen, die ihr Leben verwirkt haben; Gewalt und Hass und Verachtung; das Unglück, das mir die Liebsten nimmt; Freunde, die nicht mehr zurechtkommen.
Ein Vers von Martin Gutl: „Ich höre beides in einem… die kurzen Flüche bei der Arbeit – die schönen Choräle in den Abteien / die zärtlichen Worte der Verliebten – das Lallen der Betrunkenen / die Lieder der Kinder – das Stöhnen eines Verletzten / die Freudenschreie der Jungen – das Geflüster der Alten / den Lärm der Straßen – und die Stille eines Kirchenschiffes… und das alles auf ein und derselben Erde“.
Was ist das: Mein Glaube? Manchmal weiß ich es nicht. Was er sicher nicht ist: Eine Art Lebensversicherung vor dem Schicksal, einer Krankheit, einem Unglück; er ist keine Garantie, dass nur Gutes in mir steckt. Der Dompaff wird gefressen…. mir können die Haare gekrümmt werden – und wie!
Ich meine, von Martin Luther stammt die Wortunterscheidung zwischen Sicherheit und Gewissheit. Das finde ich hilfreich: Glaube gibt keine Sicherheit (das lateinische Wort dafür ist „securitas“ kennen wir als Versicherungsnamen) Glaube ist etwas anderes als eine Lebensversicherung. Aber der Glaube kann Gewissheit (auf lateinisch heißt das certitudo) schenken. Gegen nichts im Leben ‚versichert‘ mich der Glaube. Alles, was wir uns aufgebaut haben oder woran wir uns freuen (Besitz, Gesundheit, Intelligenz) kann uns genommen werden, ja es wird uns genommen! Und wer könnte garantieren, dass sein Glaube in solchen Krisen standhält? Aber Glaube kann die innere Gewissheit, das Vertrauen schenken, durch nichts im Leben von Gott getrennt zu werden.
Doch auch das ‚haben‘ wir nicht so einfach. Die Abwehr gegen Jesus im Evangelium geschieht ja nicht auf Grund irgendeiner, als überzogen empfundenen Moralforderung oder Ähnlichem, sondern sie wendet sich gegen seinen göttlichen Anspruch: Dass wir in ihm Gott begegnen und ihn (und damit auch uns) deshalb nichts mehr von Gott trennen kann. Das bekommen viele seiner Jünger nicht mehr mit der Realität des Lebens zusammen.
Jesus sieht das und fragt deshalb den Petrus: „Wollt auch ihr gehen?“ Wir haben uns im Team, als wir uns über das Sonntagsevangelium ausgetauscht haben, gefragt, wie die Antwort des Petrus wohl geklungen hat: „Ach Herr, wohin sollen wir gehen?“. Pastor Wallek verstand es im Sinne von „Wohin denn sonst“… Bei allen Anfragen, wir stehen zu dir! Ich hatte es vorsichtiger, zweifelnder verstanden, im Sinne von: „Ich möchte glauben, komm mir doch entgegen“.
Wie auch immer: auch das Vertrauen, auch die Gewissheit, von Gott getragen zu sein, ergibt sich nicht von selbst, ist Geschenk, will eingeübt sein angesichts all der Wege und Umwege unseres Lebens. Wir müssen es einüben, vor Grenzen und Schuld nicht wegzulaufen und uns der Resignation zu überlassen. Und nicht zuletzt will es eingeübt (und immer wieder „geübt“) werden, uns immer mehr Gott und seiner Führung zu überlassen!
Glaube gibt keine Sicherheit, aber Glaube kann Gewissheit schenken. Ich muss keine Gelassenheit vorspielen, die ich nicht habe. Ich muss nicht so tun, als könne mich nichts erschüttern und berühren. Aber vielleicht kann ich in all dem immer noch beten: „Herr, in Deine Hände lege ich mein Leben“! Am Schluss noch einmal ein lateinisches Wort: „Ich glaube“ heißt Credo – und das kommt von cor dare, wörtlich: Ich schenke dir mein Herz! Amen.