Predigt in der Osternacht 2024

1. Ist Gott gewalttätig? Wenn man die zweite Lesung dieser Nacht hört, sieht das so aus: „Rosse und wagen warf er ins Meer“. Geht’s noch? Und das Ostern! In den liturgischen Regeln für die Osternacht heißt es: Man kann Vieles weglassen, kürzen oder verändern, aber die Exoduslesung darf nie ausfallen! Warum gerade dieser Text?

Gewalt im Namen Gottes ist in vielen Teilen der Welt bittere Realität. Auf der anderen Seite kann in der westlichen Welt eine Mehrheit mit Gott gar nichts mehr anfangen und sieht Religion skeptisch bis ablehnend. Und ein Ablehnungspunkt ist nicht selten die Gewaltgeschichte des Christentums. Wie gehen wir damit um? Die Exodusgeschichte im ‚Giftschrank‘ verschwinden zu lassen, scheint mir die schlechteste Möglichkeit.

Doch gehen wir noch einmal einen Schritt zurück und lassen uns von unserer Lesung ein wenig irritieren: „Das Wasser bedeckte die ganze Streitmacht des Pharao – nicht ein einziger blieb übrig“… So rettete der Herr an jenem Tag Israel aus der Hand der Ägypter“. Will Gott diese Opfer, um sein Volk in die Freiheit zu führen? Die meisten waren doch einfache Soldaten, unschuldig an der Politik des Herrschers. Und vor allem: Warum gehört das zu Ostern? Man muss es einmal auf den Punkt bringen: Selbst im heiligsten Moment des Kirchenjahres ist der Friede nicht ungetrübt, gibt es „Opfer“, Sieger und Besiegte.

2. Ich lade Sie ein zu einem kleinen ‚Gedankenausflug‘. Wir leben – immer – auf Kosten anderer! Es gibt eine tiefe Zusammengehörigkeit zwischen allem Leben. Leben baut auf dem Leben anderer auf, aber verdrängt es eben auch. Unser Leben ist untrennbar, oft genug heillos, ineinander verwoben: Reiche Länder leben auf Kosten der armen, der Erfolg des einen ist die Niederlage des anderen.

Kein Mensch kann sich dem entziehen. Es geht nicht um unser willentliches Verhalten. Es ist elementarer. Kinder leben auf Kosten ihrer Eltern; die nachfolgende Generation verdrängt die Vorhergehende. Und noch schärfer: Wir müssen töten, um leben zu können! Wir werden gar nicht satt, ohne anderes Leben zu verzehren, Tiere und Pflanzen – aus dem einzigen Grund, weil wir leben wollen. Da hat das seinen existentiellen Ursprung, was wir Schuld nennen. Es geht nicht um Moral, es ist eine Schuld, die zu unserer Existenz gehört, „Erb-schuld“ im ursprünglichsten Sinn des Wortes Es gibt kein Leben, das nicht anderem Leben (Menschen, Tieren, Pflanzen) gegenüber schuldig bleibt.

Und aus diesem Kreislauf findet auch die Geschichte vom Auszug aus Ägypten nicht heraus, da ist sie ganz menschliche Geschichte, wie sie unsere Geschichtsbücher seit Anbeginn füllt. Das ist doch auch im Moment die große innere Not so vieler z.B. beim Ukrainekrieg: Um nicht unterdrückt zu werden, töten Menschen. Dieses Gesetz des Lebens scheint so mächtig und unverrückbar, dass das Volk Israel Gott wie selbstverständlich als Teil dieses Weltgesetzes ansah, Leben schenkend und anderes Leben vernichtend. Ganz archaisch!

3. Was ist dem gegenüber Ostern? Nur eine Theorie über das, was danach kommt, aber das mächtige Gewaltgesetz bliebe davon unberührt – nur hätten wir halt noch als eine Art Besitzstandsgarantie für die Ewigkeit?

Nein! Ostern geht es genau um dieses eherne Weltgesetz. Der Tod ist eine Großmacht, die unsere ganze Existenz beherrscht, alle Beziehungen. Feiern wir Ostern nicht so harmlos, als nettes Frühlingsfest. In der Ostersequenz, einem der ältesten uns bekannten Osterlieder, heißt es: „Tod und Leben die kämpften unbegreiflichen Zweikampf … Mors et vita duéllo conflixére mirándo“. Tod und Leben führen ein „Duell“. Gott hat sich durch Jesu Sterben mit dieser Macht angelegt hat. Das Exultet, das Lob auf die Osterkerze besingt es unnachahmlich: „Dies ist die selige Nacht, in der Christus die Ketten des Todes zerbrach … O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden … O wahrhaft selige Nacht, die Himmel und Erde versöhnt, Gott und Menschen verbindet.“

Christus durchbricht den Kreislauf, dass das Leben der einen den Tod der anderen bedeutet: Die Spaltung der Welt zwischen ‚oben‘ und ‚unten‘, zwischen Siegern und Verlieren. ER setzt der Gewalt die Liebe entgegen, die sich schenkt. Hier beginnt etwas Neues, das die Erzählung von der Befreiung Israels überschreitet. Deswegen muss sie auch gelesen werden: Es ist Erinnerung an die Wurzeln des Osterfestes, aber auch der Anfangspunkt eines sich verändernden Verhältnisses Gottes zur Welt.

4. Schön und gut, mögen Sie denken. Es gibt nur ein Problem: Kann man das glauben? Viele glauben es nicht! Selbst ein Drittel der Christen glaubt nicht an die Auferstehung Jesu und an die eigene Auferstehung. Und: Die Spaltung zwischen oben und unten, Gewalt und Krieg und Hass gehen doch weiter und haben nichts von ihrer Macht verloren! Wie ist es mit Ihnen?

Ich wage einen Vorschlag: Fragen uns einmal nicht: Glaube ich an die Auferstehung, sondern: Lebe ich die Auferstehung von den Toten?!! Und sei es, als ob! Was würde sich in Ihrem Leben verändern, wenn Sie, ab heute, für ein Jahr, „Leben – als ob“, selbst wenn Sie zweifeln? Was würde anders, wenn folgendes klar wäre: Ich vertraue, dass Gott Liebe ist, deswegen brauche ich mich vor dem Tod nicht zu fürchten. Jede Schuld kann vergeben werden. Ich schenke mein Leben für andere. Jeder Mensch ist für mich wirklich (und nicht nur theoretisch) Schwester und Bruder. Unsere Zeit braucht Auferstehungsmenschen. Gewalt und Hass, Sinnleere und Einsamkeit gibt es genug. Da lohnt der Kampf gegen den Tod!!

Und der geschieht, indem wir Jesu Weg mitzugehen: Nicht immer höher hinauszuwollen, sondern sich hineinzubegeben, wie Christus herabzusteigen. Zeit, Zuwendung, ja Leben zu schenken, ohne dafür etwas zurückzufordern, zu geben, ohne zu zählen. Österliches Leben durch österliche Menschen, „Schuld zu nehmen“ und sie nicht andern aufzuladen. Vor der Kommunion wird ER uns so gezeigt: „Er nimmt hinweg die Sünde der Welt“. Wer die Freiheit ahnt, die ein solches Leben bedeutet, der hat einen Schritt getan vom Tod zum Leben.

Schreibe einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit * markiert.

Beitragskommentare