12. Sonntag im Jahreskreis
Wer ist in unserer Welt der berühmteste Spatz? Die älteren von uns wissen es wahrscheinlich. Auf Französisch heißt „Spatz“ – „piaf“ und dann fällt der Groschen: Edith Piaf, die französische Chansonsängerin „Non, je ne regrette rien – Ich bedauere nichts“, der Spatz von Paris – Piaf ist ihr Künstlername. Sie war nur 1,47 m groß. So kam es zu diesem Künstlernamen. Ein weiterer bekannter Spatz ist Mireille Mathieu, der piaf – Spatz von Avignon. Beide Sängerinnen waren und sind klein, haben aber mit ihrer Kunst großen Erfolg. Beide aber stammen auch aus prekären Verhältnissen, kleine Leute eben.
Auch wir benutzen das Wort „Spatz“ auch in unserer Sprache, wenn wir von einem kleinen Menschen sprechen, aber es auch ganz liebevoll meinen. Ein Spatz ist ein ganz kleiner Vogel, aber durchaus frech. Von Spatzen ist auch die Rede in der Kommunikation Jesu mit seinen Gefolgsleuten. Diese Apostel bekommen einen Auftrag, zu dem Menschen zu gehen und da-vor haben sie erst mal Angst. Kommt das nicht auch in dieser Sendung vor: ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe!? Für diese Botschafter – Apostel ist das neu, was auf sie zu-kommt. Sie haben bisher Fische gefangen und verkauft, ihre Heimat war das Seeufer des See‘s Genesareth. Jetzt weitet sich ihr Horizont. Es geht einmal darum, diesen Männern die Angst vor dem Neuen und Fremden zu nehmen. Das Neue ist bedrohlich oder es überfordert. Und da ist es gut zu hören, dass die Angesprochenen wertgeschätzt werden. Wo selbst die Spatzen schon wertgeschätzt werden, um wieviel mehr dann die Menschen.
Aber es geht noch um mehr. Jeder hat zunächst Befürchtungen, dass ihm körperlich etwas zustößt. Aber im Gespräch richtet Jesus den Focus auf die seelischen Blessuren, die es unter den Menschen gibt: „fürchtet euch vor dem, der Seele und Leib ins Verderben stürzen kann.“ Hier wird noch einmal deutlich, dass der Mensch mehr ist als der Körper, den man sehen und anfühlen kann. Das, was wir meistens mit Seele beschreiben, macht genauso das Leben des Menschen aus, wir können es aber nicht so messen und wiegen wie den Körper.
Dazu gehört der Charakter des Menschen, charakterliche Eigenschaften, etwa Ehrlichkeit oder Großzügigkeit. Im Deutschunterricht gehörte es zu unseren Klassenarbeiten, über eine Person aus der Literatur eine Charakteristik zu schreiben, genau hinzuschauen und zu beobachten. Zum Leben der Seele gehört die Möglichkeit, in Beziehungen zu treten, in Freundschaften, Partnerschaften, peer-groups, Cliquen, Freundeskreisen. Und zur seelischen Verfassung des Menschen gehört Traurigkeit, Freude, Zufriedenheit, Hass. Und seelische Verletzungen kön-nen oft ein Leben lang anhalten und nicht geheilt werden oder vernarben. Seelische Blessuren etwa aus den großen Kriegen werden auch durch Generationen weitergegeben und es ist er-wiesen, dass selbst die Enkelgeneration noch unter den nicht verheilten Verletzungen der Großväter oder Großmütter leiden, diese in einem Krieg durch Gewalt erlitten haben oder selbst schuldig geworden sind.
Wie aktuell diese Botschaft ist, zeigt sich in der aktuellen Krise. Durch die gesetzlichen Maß-nahmen wurde alles Mögliche getan, um die Gesundheit unseres Körpers zu schützen, indem wir versucht haben, uns vor Infektionen zu schützen. Und die Infektionen in den großen Fleischbetrieben zeigen auch, wie wichtig diese Schutzmaßnahmen sind.
Umso wichtiger ist der zweite Teil in dem, was Jesus den Jüngern auf den Weg mitgibt: sorgt euch vor allem auch um eure Seele. In ähnlicher Weise hat der Bundestagspräsident Wolf-gang Schäuble vor kurzem argumentiert. Er hat darauf hingewiesen, dass das Grundgesetz die Würde des Menschen als das höchste Verfassungsgut beschreibt, nicht die körperliche Gesundheit. Das muss uns auch als Kirche zu denken geben, denn das hat etwas mit der Seele des Menschen zu tun.
Das kann aber doch nur heißen: so wichtig eine Corona-App oder ein wirksamer Impfstoff ist, so wichtig ist es in dieser Krise, dass wir uns um unsere Seele sorgen; zunächst jeder für sich selbst, aber auch in Solidarität füreinander oder auch als Gemeinde und Kirche für die Menschen. Und wenn immer wieder gefragt wird, ob in einer Krisenzeit die Kirche systemrelevant ist, dann kann die Antwort eigentlich nur lauten: sie ist systemrelevant, wenn es ihr Ziel ist, die Seele der Menschen zu erreichen und die seelischen Bedürfnisse der Menschen zu erkennen und so die Menschen zu stärken.
Schon ein Spatz (oder Französisch: un piaf) ist in Gottes Augen viel wert, dass Gott ein Auge auf ihm hat, umso mehr wird der Mensch wertgeschätzt und hochgeachtet, dass sogar die Haare auf seinem Kopf alle gezählt sind. Was für eine Mühe!!!