5. Sonntag der Osterzeit C, 15. Mai 2022

Kann ich bei euch wohnen? – diese Frage hat uns in den letzten Jahren immer wieder beschäftigt. Vor 7 Jahren kamen die vielen Flüchtlinge aus Syrien und suchten bei uns eine Bleibe, weil die Heimat zerstört war und es bis heute ist. Sie haben bei uns inzwischen Wohnungen und Häuser gefunden, sie haben versucht, die Sprache zu erlernen, ihre Kinder sind hier geboren. Im günstigsten Fall haben sie hier auch Freunde gefunden. Und wieder beschäftigt uns die Frage, wo viele Menschen aus der Ukraine kommen – Können wir hier wohnen?

Die Frage ist nicht neu. Im letzten Kapitel des Neuen Testamentes spricht der Seher von Gott, der unter den Menschen wohnen möchte. Gott nicht im Himmel, nicht in Büchern, sondern da, wo die Menschen wohnen. Mit ihnen leben. Ich will bei euch wohnen…, so singen wir gern. Ein Gott, der unter den Menschen wohnt.

Vor 50 Jahren wurden hier die Kirche und das Gemeindezentrum geplant und gebaut. Es sah gar nicht so aus, wie man sich üblicherweise eine Kirche vorstellte. Kein Turm, keine neugotischen Fenster, keine Glocken… Wer als Fremder hier die Kirche sucht und sich an einem Turm orientieren will, liegt falsch. Der Gedanke, der damals dem Kirchenbau zugrunde lag, war der: Kirche und Gemeinde stehen nicht im Kontrast zum Leben der Menschen, sondern integrieren sich in den Alltag. Deshalb ist dieses Gemeindezentrum den Wohnhäusern ähnlich, einfach und bescheiden, dem Stil der neuen Siedlung angepasst. Und so ist es auch heute noch, wer zur Kirche will, muss ‚auf der Suche‘ sein.

Eine der maßgeblichen Personen, die in den 70er Jahren diese Gemeinde mit aufgebaut haben, und auch für die Errichtung des Gebäudes verantwortlich waren, war der Franziskaner Pater Reinhard Kellerhoff. Nach der Errichtung der Franziskusgemeinde zur eigenständigen Pfarrei im Jahre 1982 war er der erste Pfarrverwalter, praktisch also der erste Pfarrer. Er war organisatorisch, handwerklich und künstlerisch sehr geschickt und hat zusammen mit seinen franziskanischen Mitbrüdern über 15 Jahre diese Gemeinde geprägt. Manche der älteren Gemeindemitglieder werden davon noch lebhaft erzählen können. Ganz lebhaft steht er uns vor Augen in der Weihnachtszeit, wenn die 3 Krippenfiguren aufgestellt sind, er hat sie hergestellt. Pater Reinhard ist jetzt am 29. März im Alter von 87 Jahren verstorben und wir haben ihn mit einigen Gemeindemitgliedern in Paderborn in der Franziskanerkirche verabschiedet und er ist dann auf dem dortigen Ostfriedhof begraben worden.

Pater Reinhard hat eine Gestalt von Kirche verkörpert, die nachhaltig ist: nah bei den Menschen und offen für eine weltweite Offenheit und Vernetzung. Die Nähe zu den konkreten Menschen hat hier leben können und die weltweite Vernetzung war ihm immer wichtig und hat seinen Ausdruck von allem darin gefunden, dass er das ‚Forum der Völker‘ in Werl später ausgebaut und profiliert hat.

Kirchliche Gebäude tragen meistens eine Botschaft in sich: ein spitzer Turm weist zum Himmel und ein gotisches Gewölbe lenkt den Blick nach oben, eine romanische Dorfkirche bietet Geborgenheit und Schutz, ein riesiges gotisches Fenster erschließt in seinen Darstellungen die Szenen der Bibel oder Darstellungen aus dem Leben der Heiligen. Wenn man die Botschaft unserer schlichten Kirche in biblischen Worten darstellen müsste, dann geht es kaum besser als mit dem visionären Wort aus der Offenbarung: Gott will unter uns wohnen. Er ist wie einer von uns.

Wunderbar ausgedrückt hat das der holländische Theologe Huub Oosterhuis:

„Nahe wollt der Herr uns sein, nicht in Fernen wohnen.

Unter Menschen wie ein Mensch hat er wollen wohnen.

Freuet euch, von Sorge frei; tragt vor ihn die Bitte,

dass er uns ganz nahe sei, wohn in unsrer Mitte.“ (altes Gotteslob 617).

Das ist auch ein Stück des Erbes, von dem wir heute leben. Und Pater Reinhard  ist einer von denen, die das transportiert haben.

Reinhard Bürger