11. Sonntag im Jahreskreis

„Papa, ich kann nicht mehr!“ – Wer von Ihnen Kinder hat, wird sich an diese Klage sicher erinnern. Vielleicht sogar mit einem Schmunzeln?
Bestimmt haben Sie dann dem tapfer dahin stapfenden Menschlein an Ihrer Seite einen Blick gegönnt. Und oft sicher auch ein aufmunterndes Wort: „Das schaffst du schon. Es ist ja nicht mehr weit! Du bist doch schon groß und stark!“
Aber irgendwann kam der Punkt, an dem alle Ermutigung nicht mehr weiterhalf. Die kleinen Beine wollten nicht mehr. Und wie oft haben Sie dann Ihre Kraft angeboten: Komm, ich trag dich ein Stück!
Ich erinnere mich gut – an Tage, an denen ich stark war und tragen konnte. Was für ein Glück ist das: einem anderen, Müden, Schwachen eine Hand bieten zu können, einen Trost, ein Stück Weg in Gemeinsamkeit. Zusammen gehen wir und zusammen kommen wir an. Durch alles Dunkle, Schwere hindurch, manchmal haben wir uns verirrt, manchmal war der Weg nicht zu erkennen. Stark sein, tragen können und Mut machen – was für ein Segen für beide! Ein Abglanz der göttlichen Liebe für den, der uns braucht.
Und wie oft mussten wir getragen werden? Ich denke, mindestens genauso oft. Nicht nur Kinder verlieren den Mut und das Vertrauen auf ein gutes Ende eines langen, mühseligen Wegs. Eine lange Krankheit, Einsamkeit, das Gefühl, nicht zu genügen – selig, wer dann jemanden hat, der tragen kann!
Gott erinnert sein Volk in dieser Lesung aus dem Buch Exodus, wie oft er Israel schon getragen hat, als die Wüste zu heiß und das Meer zu tief war. Und weil sie diese Erfahrung machen durften, ruft er ihnen zu: Vertraut mir, vertraut euch mir an. Hört auf meine Stimme, haltet an dem Bund zwischen mir und euch fest, bleibt bei mir als mein ganz besonderes Volk.
Wie die Geschichte weiterging, wissen wir. Das Volk versprach seine Treue – und brach sie immer wieder. Unterwegs zu sein mit Gott – das ist kein Spaziergang. Und es ist nicht immer leicht, sich darauf zu verlassen, dass man ganz bestimmt getragen wird, wenn es nötig ist. Allzu oft wurden Israel die Beine schwer (und uns ja auch!), und es war kein Ende der Qualen abzusehen. Wo ist denn Gott, wenn es mir so schlecht geht? Warum sagt er nichts gegen die Not um uns herum? Wie soll ich ihm vertrauen, wenn alles über meine Kraft geht?
Wie auf Adlerflügeln habe ich euch getragen, sagt Gott. Das ist ein Bild. Biologen sagen, dass das Adler-Küken selbst fliegen kann, sobald seine Schwingen stark genug sind. Dann aber landet der kleine Adler oft genug da, wo er gar nicht hinwill. Er muss lernen, sein Ziel anzusteuern, seine Kraft einzuschätzen und seine Beute selbst zu finden.
Wir wissen: Das müssen wir auch tun; wir sind keine Kinder mehr, die durchwegs versorgt, gefüttert, getragen werden müssen. Gott will uns nicht so klein halten. Er will, dass wir ihm gehören „als ein Reich von Priestern, ein heiliges Volk“ – könnte Größeres über uns gesagt werden? Mehr Würde geht nicht. Dessen sollen wir uns würdig erweisen. Indem wir bewahren, was schwach und bedürftig ist. Und dankbar sind für alles, was uns stützt und stärkt. Auch für Gottes Wort und unsere Gemeinschaft heute.