11. Sonntag im Jahreskreis

Lang, lang ist es her, dass ich mit anderen jungen Erwachsenen Kinderfreizeiten in Hiddesen bei Detmold am Teutoburger Wald geleitet habe. Dabei gehört es zum Programm, mindestens einmal in der Zeit die Adlerwarte in Berlebeck zu besuchen. Dabei habe ich erlebt, dass Adler faszinierende Geschöpfe sind: groß, mächtig, schnell, stark und mit einem scharfen Sehsinn ausgestattet. Adler sind treu. Meist bleibt ein Adlerpaar ein ganzes Adlerleben lang zusammen. Adler sind fürsorglich. Sie kümmern sich aufopfernd um ihren Nachwuchs und schützen ihn vor Gefahren solange, bis der Nachwuchs selbst groß und stark ist. So nehmen Adler bspw. ihre noch nicht flugfähigen Jungen unter ihre mächtigen Fittiche, wenn Gefahr aus der Luft droht. Und wenn die Jungen fliegen lernen sind sie in der Nähe, um sie aufzufangen, wenn die Kräfte schwinden. Dann breiten sie ihre Flügel aus und tragen die Jungen zurück ins sichere Nest.

Daran musste ich denken, als ich in der Lesung diese Worte las:„ Ihr habt gesehen, wie ich euch auf Adlerflügeln getragen habe“, sagt Gott zu seinem Volk in der Wüste, dass ganz und gar verunsichert und ängstlich war. Israel war aufgebrochen. Aus Ägypten, dem Sklavenhaus. War dabei flügge zu werden. Und jetzt? Jetzt sind die Menschen in der Wüste und wissen nicht weiter. Und von ihnen wird erzählt, dass sie sich nach den Fleischtöpfen Ägyptens nach dem alten Nest zurücksehnen. In diese Situation hinein spricht Gott zu Mose und erinnert das Volk an seine Taten und wirbt um Vertrauen: „Ich habe euch auf Adlerflügeln getragen.“ Was für ein Wort, faszinierend: Gott – wie ein Adler, der sein Volk schützt!

Auf den mühsamen, endlos langen, endlos ermüdenden Wegen – wird das Volk von ihm getragen. Die Zweifel, die Aggressionen, die Ängste – all das getragen auf Gottes Adlerflügeln. Und so wird die Wüste für Israel zum Ort der Gotteserfahrung: Das Volk erlebt Gottes Nähe und Stärke, seine schützende und bergende Kraft. Unter seinen Fittichen sind sie geborgen, auf seinen Flügeln getragen. Gott sieht mit Adleraugen die Not der Menschen und ist zur Stelle – wie ein Adler!

Im Evangelium klingt das ganz ähnlich. Jesus, so heißt es da, sah die Not der Menschen und hatte Mitleid mit ihnen. Sie waren verunsichert, müde und erschöpft. Jesus spürt, sie brauchen eine starke, schützende, helfende und heilende Hand. Und so schickt Jesus Menschen los, in seinem Namen und in seinem Auftrag die Not zu sehen, „unreine Geister“ auszutreiben und Krankheiten und Leiden zu heilen. Und sie können es, weil er ihnen die Vollmacht gibt, und weil sie sich getragen wissen von seinem Geist und den Adlerflügeln Gottes. Denn wer sich getragen weiß, der kann auch tragen, ertragen, durchtragen…

Auch wir sind manchmal verunsichert, müde und erschöpft. Wir sehnen uns manchmal danach, die Dämonen und Leiden dieser Zeit zu vertreiben: Rassismus, Corona-Krise, Diskriminierung, Hunger und Elend, Kriege und Streit… Auch wir brauchen jemanden, der die Not sind und seine Adlerflügel ausbreitet. Die ersten, die sich auf die Sendung Jesu einließen, werden im Evangelium namentlich genannt. So, als wollte der Evangelist uns sagen: Schaut her, das sind einfache Leute, sie alle, Menschen wie du und ich – und doch werden sie tragende Säulen der Kirche und Boten Gottes!

Das macht mir Mut, allen Bedenken und Unsicherheiten und Verzagtheiten zum Trotz, mich auch Namen in diese Liste einzufügen und auf die Hoffnungszeichen und -geschichten zu schauen, die es auch in den Wüsten unseres Lebens und trotz aller Dämonen gibt, und auf die Adlerflügel zu vertrauen, auf denen wir getragen werden – auch in den Krisen unserer Zeit!
Wenn wir auf die uns tragenden Kräfte vertrauen dann wird vielleicht durch uns spürbar:

Gott, gehört die ganze Erde,
und wir sollen ihm als ein Königreich von Priestern
und als ein heiliges Volk gehören und dienen.
Dann wird auch durch uns spürbar: Das Reich Gottes ist nahe!

Amen!