„Am Anfang war das Wort.“ Mit diesen ikonischen Worten beginnt das Johannesevangelium. Es ist vielleicht eines der prominentesten Bibelzitate überhaupt. Aber warum eigentlich? An sich ist der Prolog des Johannesevangeliums erst mal ziemlich kryptisch und schon hier wird die Liebe des Autors zur Philosophie erkennbar. Johannes begnügt sich nicht mit Wundererzählungen und Gleichnissen. Er kreiert gleich ein philosophisches Gesamtkonzept, bei dem sich der Lesende doch schon mal fragen kann: „Was möchte uns der Autor damit sagen?“

Auch ich kann sagen, dass der Johannesprolog durchaus zu meinen Favoriten gehört. Er hat eben eine besondere Aura. Aber was steckt dahinter? Für diese Frage ist ein Blick in den griechischen Urtext des Johannesevangeliums lohnenswert. Dort hat der Autor für unser Wort „Wort“ das Wort „λόγος“ (Logos) genutzt. Dieses Wort ist ein erstaunliches Wort. Denn das, was bei uns Wort ausdrückt, kommt der Dimension des λόγος im neuen Testament nicht gleich. Dem λόγος wird eine schöpferische Kraft zugesprochen. Das wird auch an anderen biblischen Stellen deutlich. Beispielsweise im Schöpfungsbericht der Genesis: Gott spricht und es entsteht.

Auch in unserer heutigen Welt haben Worte Macht. Sie können schaffen, zerstören, trösten und verletzen. Ganz besonders deutlich wird dies im Bild der Rechtsprechung. Erst durch das Verlesen wird das Urteil rechtskräftig.

Ebenfalls sind unsere Worte von schöpferischem Charakter. Unsere Sprache bildet unsere Realität ab. Mit unserer Sprache formen wir unsere Welt. Jedes gesprochene Wort hat sein Echo, seinen Effekt, nach dem die Welt nicht mehr so ist wie vorher.

Und wenn wir schon über das göttliche Schöpfungswort sprechen, müssen wir auch darüber nachdenken, was es heißt, wenn wir von der Bibel als Wort Gottes sprechen. Wir glauben, dass die Bibel von der Selbstoffenbarung Gottes berichtet. Sie erzählt von Menschen, die eine Beziehung mit Gott hatten. Aus diesen Erlebnissen sind im Laufe der Zeit die biblischen Texte entstanden, wie wir sie heute kennen. Hier wird schon deutlich: Das Wort Gottes bedeutet nicht, dass die Bibel in Perfektion vom Himmel gefallen ist. Ja, im biblischen Wort kann Gott zu uns sprechen. Aufgeschrieben wurde es aber von Menschen. Es ist also Gottes Wort im Menschenwort.

Der biblische Text bedarf immer der Deutung und der Einordnung, um zu dem zentralen Gedanken zu gelangen, der hinter dem Text steht, der von Gott erzählt.

Alexander Steinhausen