Pfingstsonntag 2023 (A)
Liebe Schwestern und Brüder,
unsere Oster- und Pfingsttermine sind Termine des jüdischen Festkalenders. Aus dem jüdischen Passahfest, das an die Rettung Israels aus Ägypten und den Durchzug durch das Rote Meer erinnert, ist das christliche Osterfest geworden. Sieben Wochen später feiern die Juden ihr erstes Erntedankfest, das Fest Schawuot, ein Frühlingsfest, an dem man für die ersten Früchte des Jahres dankt und aus dem die Christen Pfingsten gemacht haben.
Die Juden feiern aber auch noch ein zweites, ein eine Woche dauerndes Erntefest im Herbst, das sogenannte Laubhüttenfest. An so einem Laubhüttenfest spielt das heutige Evangelium, in dem Jesus ausruft: „Wer Durst hat, komme zu mir und es trinke, wer an mich glaubt. Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen.“
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Machen wir einen kurzen Ortswechsel in die Wüste Sahara.
Wolken türmen sich auf am Himmel, den sonst die Sonne regiert. Sie schafft es zunächst noch, die Wolken immer wieder aufzulösen. Aber dann bilden sich so viele Wolken, daß die Sonne machtlos wird. Es wird dunkel. Eine Spannung liegt über der Wüste. Könnte es diesmal passieren? Und tatsächlich: der erste Tropfen, der zweite, hier und da weitere. Sie zerspringen auf dem heißen Sand. Und es werden mehr und mehr. Der Himmel öffnet seine Schleusen und es gibt kein Halten mehr. Endlich Regen nach über drei Jahren der Dürre!
Sie kennen diese Filmszene vielleicht – sie kommt vor in dem alten oscarprämierten Hollywood-Film „Die Wüste lebt“ aus dem Jahre 1953.
Stundenlang regnet es auf die heiße Wüste. Dann kämpft sich die Sonne wieder hervor. Es wird wieder strahlend hell und glühend heiß, als sei nichts gewesen. Aber dann fließt Wasser durch alte, ausgetrocknete Flußläufe. Die Bäche vereinigen sich zu einem See. Tiere finden sich wie aus dem Nichts ein. Sie trinken und toben im Wasser. Und da, wo nur Sand war, sprosst es plötzlich und alles wird grün. Pflanzen recken sich ins Tageslicht. Jahrelang hatten sie auf diesen Tag gewartet. Jetzt wachsen und blühen sie. Für ein paar Wochen taucht die Wüste in ein paradiesisches Farbenmeer.
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Springen wir zurück ins Israel zur Zeit Jesu.
Was Trockenheit heißt, das wissen sie auch in Israel. Da herrscht zwar keine Saharadürre, aber es ist schon ein karger Landstrich, in dem jeder Tropfen Wasser kostbar ist. Wird die Ernte gut, wird sie schlecht? – Das ist in jedem Jahr eine Wackelpartie. Und deswegen beten die Menschen um eine gute Ernte und um genügend Regen, sie feiern Gottesdienste, sie bringen Opfer im Tempel dar.
Und dann, wenn die Ernte eingebracht ist, das Fest! Wenn die Juden vom „Fest“ reden, dann meinen sie das herbstliche Erntedankfest, das Laubhüttenfest. Es ist das fröhlichste und volkstümlichste Fest im Jahr. In Scharen pilgern die Menschen nach Jerusalem, eine Woche Ausnahmestimmung. Es ist noch warm genug, um draußen im Freien zu schlafen, nur von Laubhütten geschützt, die man sich selbst baut. Es wird gesungen und getanzt, gegessen und getrunken.
Der tägliche Höhepunkt an jedem der sieben Tage des Festwoche ist das Wasserschöpfen, ein Ritus des Dankens und Bittens. Ein Priester geht jeden Morgen bei Tagesanbruch schweigend zur heiligen Quelle, dem Teich Schiloach. Mit einer Kanne schöpft er Wasser aus dem Teich und bringt es zum Tempel. Da wird das Wasser begrüßt mit drei Trompetenstößen. Dann gießt der Priester das Wasser in eine Schale auf dem Altar. Und dann rezitiert einer die Worte des Propheten Jesaja: „Ihr werdet mit Freuden Wasser schöpfen aus den Quellen des Heiles.“
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Und jetzt berichtet unser Evangelium, am letzten Tag des Laubhüttenfestes sei Jesus aufgestanden und habe zu den Menschen gesprochen. Der Wasserritus im Tempel war wahrscheinlich gerade vorbei, da sagt Jesus: Das, um was ihr da bittet, das steht mitten unter euch: ich bin das, was ihr erbittet: „Wer Durst hat, komme zu mir und es trinke, wer an mich glaubt. Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendige Wasser fließen.“
Sicherlich hat man Jesus diesen Auftritt übel genommen, sicher hat er sich damit weitere Feinde gemacht. Und sicherlich haben viele gar nicht verstanden, was Jesus da meinte. Deswegen erläutert der Evangelist Johannes: „Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben; denn der Geist war noch nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war.“
Der Heilige Geist – nicht aufrüttelnder oder zerstörender Sturm, nicht erleuchtendes oder verbrennendes Feuer, sondern lebendiges und lebensspendendes Wasser!
Und damit sind wir aus dem alten Israel im Hier und Heute in Dortmund gelandet:
Es gibt Menschen, die sind, wie Jesus Christus, lebendiges Wasser für diejenigen, denen sie begegnen – und es müssen nicht einmal Christinnen oder Christen sein!
Wahrscheinlich ist jeder schon einmal so einem Menschen begegnet. Das sind Menschen, da lächelt nicht nur das Gesicht, sondern es lächelt in den Menschen. Das sind Menschen, die sind interessiert an ihrem gegenüber, die brennen für ihre Sache, sind aber nicht aufdringlich. Das sind Menschen, die sind im Leben ein Schritt weiter, geben aber anderen gerne davon ab. Die wissen Lösungen oder können ganz spontan helfen.
Mit einem griechischen Wort sagen wir, solche Menschen haben „Charisma.“ „Charisma“ heißt übersetzt „Gnadengabe.“ Sie sind in besonderer Weise mit Gottes Geist begabt. Wenn wir Menschen mit Charisma begegnen, dann hat das Auswirkungen auf uns, solche Menschen sprechen uns an, bewirken etwas in uns, regen uns zum Denken an, verändern vielleicht sogar mein Leben.
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Ich weiß nicht, ob solche begeisterten Menschen immer selbst so fühlen. Ich weiß auch nicht, ob sie auf andere immer so inspirierend wirken. Vielleicht kennen auch solche Menschen Wüstenzeiten, in denen ihre Quellen nicht sprudeln, wenn das Herz trocken ist und sie nichts weiterzuschenken haben…
Die Zeit, in der die Wüste blüht, ist eine ganz kurze Zeit im Vergleich zur langen Zeit der Dürre. Die Wüste kann sich nicht vornehmen, zu grünen und zu blühen. Sie kann das Wasser, das kommt, auch nur für eine kleine Weile aufheben. Die Wüste muß immer wieder einfach warten auf das Wasser von oben. Sie muß nichts weiter tun, als sich bereit zu halten für den großen Regen. So ist es auch mit den Geistesgaben Gottes und uns Menschen. Charismen sind eben Gaben, also Geschenke, nichts, das man machen oder sich einfach nehmen könnte…
Wir müssen uns für Gottes Geist bereithalten, müssen uns ihm wie eine durstige Wüste hinhalten. Das ist oft gar nicht so einfach, aber es lohnt sich – denn wenn uns das gelingt, dann strömt aus unserem Inneren lebendiges Wasser, genug für uns selbst und für andere. Und dann erblüht auch hier bei uns dann und wann die Wüste. Amen.