Dreifaltigkeitssonntag A 2023

Liebe Schwestern und Brüder,

das Fest der Hl. Dreifaltigkeit liegt nicht ohne Grund an dem Sonntag an dem wir ihn heute feiern, am Sonntag nach dem Pfingstfest nämlich. Das Dreifaltigkeitsfest ist ein großes Abschlussfest. Vom 1. Advent bis zum Pfingstsonntag haben wir alle Stationen des Lebens Jesu betrachtet und gefeiert.

Von der Erwartung des Advent über die Geburt an Weihnachten sind wir dabei gewesen, auch bei der Anbetung durch die Weisen, der Flucht nach Ägypten, der Taufe im Jordan, der Versuchung in der Wüste.

Wir haben Jesus durchs Hl. Land hinauf nach Jerusalem begleitet, waren bei seiner Gefangennahme zugegen, sind ihm durch Leiden und Kreuzigung und ins Grab gefolgt, haben seine Auferstehung an Ostern, seine Himmelfahrt und abschließend das Pfingstfest gefeiert.

Wir haben also vom Advent bis Pfingsten einen Blick in das Geheimnis unseres Gottes getan und feiern am Sonntag darauf dieses Geheimnis am Dreifaltigkeitssonntag. Dann werden wir in den „grünen Alltag“ des restlichen Kirchenjahres entlassen.

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In unserem Glauben beruht vieles auf einer Zahlensymbolik, die wir heute gar nicht mehr unbedingt verstehen, zu der viele gar keinen Zugang mehr haben, die aber für die Menschen biblischer Zeit und der Antike selbstverständlich war.

Für unseren Glauben wichtige Zahlen sind die Zahlen von eins bis zwölf, die Vierzig und die Fünfzig. Aber keine Angst, ich werde mich am heutigen Dreifaltigkeitsfest auf die Zahlen beschränken, die für diesen Tag wichtig sind: die Eins, die Zwei und die Drei.

Die Eins.

Die Zahl Eins ist die Zahl der absoluten Vollkommenheit, der Einheit, der Ganzheit und Unendlichkeit. Oft findet man sie in der Bibel daher im Zusammenhang mit dem Göttlichen.

Das tägliche Glaubensbekenntnis der Juden, ein Zitat aus dem 5. Buch Mose, lautet: „Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig!“

Unser Evangelium nennt Jesus Gottes „einzigen“, also vollkommenen und vollkommen zu ihm gehörenden Sohn.

Später spricht dann der 1. Korintherbrief von Jesus als dem „einen Herrn“ und sagt, er sei „der erste der Entschlafenen.“

Der christlichen Theologie war es deswegen immer wichtig zu betonen, dass wir an einen einzigen Gott glauben, der dreifaltig ist, also unterschiedliche Seinsweisen in sich vereinigt.

Die Eins, die Zahl der Vollkommenheit.

Die Zwei.

Die Zwei steht für Polarität, also das Verhältnis sich gegenseitig bedingender Größen, z.B. das Weibliche und das Männliche. Deswegen hat die Menschheit nach Aussagen der Bibel zwei Stammeltern: Adam und Eva.

Unsere Bibel selbst zerfällt in zwei Teile: das erste und das zweite Testament. Beide Teile bedingen sich gegenseitig und bilden doch erst zusammen ein Ganzes.

Die Zwei ist schließlich auch die Zahl der kleinstmöglichen Gemeinschaft. Deswegen sagt Jesus: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind…“

Die Zwei, keine wirkliche Idealzahl, die Zahl der kleinstmöglichen Gemeinschaft und der Polarität.

Die Drei.

„Aller guten Dinge sind drei.“, heißt ein Sprichwort. Das lässt sich auch auf die Bibel übertragen. Die Drei galt immer als Zahl der Geschlossenheit und der Vollständigkeit. Gott wird deswegen im Christentum nicht als einfältig betrachtet, auch nicht als zweifaltig, sondern eben dreifaltig – drei Weisen göttlichen Seins, die zusammen ein Ganzes bilden: Vater, Sohn und Heiliger Geist.

Der Apostel Paulus spricht von den drei göttlichen Tugenden: Glaube, Hoffnung und Liebe.

Drei Stunden dauerte die Finsternis, während der Jesus am Kreuz stirbt, drei Tage lag Jesus bis zu seiner Auferstehung im Grab.

Die Drei, die Zahl der Vollständigkeit, die Zahl, mit der alles gut wird.

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Schwestern und Brüder,

was wir an diesem kleinen Ausflug in die Zahlensymbolik sehen, daß nämlich in Gott Gemeinschaft und Beziehung angelegt ist, das wird auch an den beiden biblischen Texten des heutigen Sonntags sichtbar.

Im Evangelium wird uns aus einem der Nachtgespräche, die Jesus mit dem Gottsucher Nikodemus geführt hat, berichtet. Das sind gewichtige Sätze, die das ganze Evangelium zusammenfassen:

„Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“

Wer ist dieser Gott? Wie finden wir zu ihm? Das waren die Fragen des Nikodemus. Nikodemus war ein zutiefst religiöser Mensch. Die Frage nach Gott bewegte ihn sein ganzes Leben lang. Er suchte Antworten. Und zugleich spürte er, dass Antworten zu wenig sind. Antworten befriedigen den Verstand, aber die Unruhe des Herzens bleibt. Und in dieser Herzensunruhe begegnet Nikodemus Jesus und er spürte: Hier ist mehr als eine Antwort, hier ist Leben! Gott ist das Geheimnis, vor dem nur ehrfürchtig schweigen und danken können. Zugleich ist Gott aber auch Hingabe und Liebe – er tritt in Kontakt zu den Menschen, gibt den einzigen Sohn, damit die Welt gerettet wird.

Auch die Lesung aus dem Buch Exodus hat uns eine Geschichte erzählt, in der es um die Frage geht, wer Gott ist und wie Gott ist. Nikodemus war nicht der erste, der so gefragt hat und auch nicht der letzte. Mose begegnet auf dem Berg Gott, der in der Wolke verborgen ist. Aus der Wolke hört Mose die Stimme Gottes: „Der Herr ist der Herr, ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig und reich an Huld und Treue.“ Wichtiger, als Gott zu sehen, ist es, dass Mose erkennt, wie Gott ist. Barmherzigkeit, Langmut, Huld, Treue – Worte, die in unserem Alltag nicht mehr vorkommen, nur noch in dem, auf was sie hinweisen: auf die Liebe Gottes nämlich.

Wenn also etwas unseren Gott kennzeichnet, wenn es Worte gibt, die unseren Gott beschreiben, wenn das Unsagbare gesagt werden soll – da sind sich beide biblischen Texte des heutigen Sonntags einig – dann wohl nur so: „Gott ist die Liebe.“

Und Dreifaltigkeit und Liebe, das passt wunderbar zusammen!

Ein Gott, der nicht nur liebt, sondern die Liebe in Person ist, die kann man gar nicht als absolutes Wesen denken, das in völliger Einsamkeit an der Spitze des Weltalls herrscht. Ein Gott, der Liebe nicht nur hat, sondern selbst ist, der muss in sich selbst Raum haben für die Liebe, der muss in sich selbst auch Beziehung sein: Ruf und Antwort, Liebe und Gegenliebe, Drei-faltigkeit, Vater, Sohn, Heiliger Geist. Unser Gott ist ein Gott, in dem es Beziehung und Mitteilung, Gespräch und Leben gibt.

Gott ist in sich Beziehung und will Beziehung zu seinen Geschöpfen. Dass er das will, das hat er gezeigt, indem er „seinen einzigen Sohn hingab.“ Er hat Beziehung zu uns aufgenomme

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Schwestern und Brüder,

nach dem heutigen großen Fest beginnt ab morgen endgültig der Alltag des „grünen“ Kirchenjahres. Der lange Sommer und Herbst stehen uns bevor, bis mit dem 1. Advent ein neues Kirchenjahr beginnt. Wie in der Natur dienen die vor uns liegenden Monate dem Reifen dessen, was zuvor in aller Pracht aufgeblüht ist, bis die Zeit der Ernte gekommen ist. Christinnen und Christen haben jetzt die Gelegenheit, in sich die Melodie Christi nachklingen zu lassen und selbst reif zu werden in Glaube, Hoffnung und Liebe.

AMEN.