So sagen wir manchmal auch ganz unbewusst und meinen es oft auch nicht wörtlich. Aber in diesen Tagen haben wir, gerade hier in der westlichen Welt, allen Grund zu sagen: „Gott sei Dank!“, denn die Ernte ist oder wird in diesen Tagen eingefahren. Wir dürfen dankbar sein, weil wir hier fast alle tatsächlich alles haben, was wir zum Leben brauchen – nicht nur die Erntegaben: Kleidung, Wohnung, Nahrung…

Um so mehr könnte uns dieser Wohlstand, der manchmal schon fast im Überfluss vorhanden ist, dazu veranlassen, mit den Gaben der Natur sorgfältig und achtsam umzugehen und auch einmal auf die andere Seite der Medaille zu schauen, nämlich auf die, die nicht genug zum Leben, ja oft sogar zum Überleben haben – und das nicht nur in fernen Ländern!

So gesehen ist das Erntedankfest auch ein Anstoß, mit etwas anderen Augen auf das zu schauen, was wir hier haben, aber auch auf die, die hier bei uns ein lebenswertes Leben suchen ohne die ständige Angst ums Überleben und den ständigen Kampf um das Lebensnotwendige, verbunden mit der bleibenden Sorge, was gebe ich meinen Kindern morgen zu essen, zum kleiden…

Erntedank ist für mich ein Fest, die Dankbarkeit für allzu Selbstverständliches (wieder) zu lernen und die nicht aus dem Blick zu verlieren, denen das Nötigste fehlt. Und wenn dann aus der Dankbarkeit ein Teilen erwächst, dass dem Satz Jesu entspricht: „Was ihr dem Geringsten getan habt, habt ihr mir getan“, dann haben wir wirklich allen Grund aus tiefstem Herzen zu rufen: „Gott sei Dank!“, denn:

Selig die Dankbaren

Selig, die dankbar sind

für die sogenannten
Selbstverständlichkeiten,

für das Dach über dem Kopf und das Brot auf dem Teller,

für den Frieden
in Stadt und Land.

Selig, die dankbar sind

für die Kleinigkeiten
des Lebens,

für Lerchengesang
und Rosenduft,

für das freundliche Wort
der Nachbarin.

Selig jene, die wissen,

dass nicht alles Gute
aus eigener Kraft kommt,

dass sie angewiesen sind
auf andere Menschen,

dass ein gnädiges Schicksal
sie vor Argem bewahrt.

Selig sind jene,

die Gott immer wieder Dank sagen können,

die nicht nur in der Not beten,

sondern ihn täglich
loben und preisen. (Irmela Mies-Suermann)

 

Manfred Morfeld