Wir haben in den letzten Tagen von zwei sehr prominenten Menschen Abschied genommen, die zwar keine Landsleute von uns sind, aber unserem Land sehr verbunden waren. Michail Gorbatschow, letzter Staatspräsident der Sowjetunion und Queen Elizabeth II, die langjährige Königin von Großbritannien. Die öffentliche Reaktion hat gezeigt, wie sehr beide Personen auf ihre Weise Leitfiguren gewesen sind: Gorbatschow, der in der politisch erstarrten Sowjetunion Glasnost und Perestroika durchgesetzt hat, also Transparenz und Veränderung, und Queen Elizabeth., von der man den Eindruck haben konnte, dass sie ewig lebe. Als ich selbst 1969 mit 15 Jahren zum ersten Mal vor dem Buckingham-Palast stand, war sie schon 17 Jahre im Amt, länger als Angela Merkel später Kanzlerin war. Das spätere Leben von Michail Gorbatschow war tragisch – in seiner Heimat war er zuletzt ein Außenseiter.

Was beide verbindet ist die Tatsache, dass sie für viele Menschen Leitfiguren waren. Sie verkörperten Menschenrechte, Freiheit, Demokratie, Durchhaltevermögen, Treue. Und beide lebten davon, dass sie sich auf ihre Ehepartner voll verlassen konnten und auch beide unter dem Tod ihrer Partner sehr gelitten haben. Dabei waren sie keine Übermenschen und hatten auch ihre Schattenseiten.

Die öffentliche Reaktion auf diese beiden Tode zeigt mir aber sehr deutlich, dass wir Menschen solche Leitfiguren brauchen. An solchen Personen kann man ablesen, wie Leben geht. Man kann ablesen, dass es möglich ist sich zu verändern und zu lernen. Man kann erahnen, was es heißt, Konflikte durchzustehen und daran zu wachsen. Man kann auch erfahren, was es heißt, an Gott zu glauben und bei ihm Halt zu suchen. Die Heimatländer der beiden sind heute zutiefst gepalten, umso mehr wirkt das Beispiel solcher Personen. Und wenn wir auf die aktuelle Situation der Kirche in unserem Land schauen, dann braucht es solche Menschen, die gerade jetzt für aufrechten Gang, für Glaubwürdigkeit und Treue stehen – und die Energie und Freude daran haben, auch neue Wege zu gehen.

Reinhard Bürger