28. Sonntag im Jahreskreis C, 9. 10. 22

Liebe Schwestern und Brüder,

wir kennen so manche Krisensituationen im Leben:

  • Eine schwere Krankheit, die lebensbedrohlich sein kann und unser Leben ziemlich umkrempelt.
  • Der Tod eines nahen Angehörigen – plötzlich oder nach langem Krankenlager.
  • Der Verlust des Arbeitsplatzes ohne Chance auf eine neue Anstellung.
  • Eine Trennung vom Partner oder der Partnerin.

Solche Situationen können Menschen verzweifeln lassen, in Depressionen stürzen oder sogar zum Suizid motivieren. Die meisten von uns werden wohl solche Situation in der Familie oder im Bekanntenkreis schon erlebt haben oder selbst davon betroffen sein. Solche existentiellen Krisen gehören auch zu Leben dazu. Das Leben ist eben nicht immer nur ein Schweben auf ‚Wolke 7‘.

Die Evangelien greifen dieses Thema auf und bringen es auf den Punkt in der Erzählung von den 10 Aussätzigen. Eine schwere damals unheilbare Krankheit, die zur Folge hat, dass die Betroffenen isoliert sind – außerhalb der Ortschaften leben müssen, um andere nicht anzustecken. Mit dieser Problematik sind wir durch Corona gut vertraut. Die Erkrankung an Aussatz steht aber hier nur beispielhaft für alle Krisensituationen, die Menschen aus der Bahn werfen können. Dieser Heilungsprozess hat mehrere Stufen:

  • Die Menschen leiden an ihrer Krankheit und jammern.
  • Der Leidensdruck wird so groß, dass ihnen jede Hilfe recht ist, Hauptsache gesund.
  • Indem sie sich auf den Weg machen, geschieht die Gesundung.
  • Nur 10 Prozent der Geheilten schaffen es, sich zu bedanken.
  • Diese 10 Prozent – also Einer – bekommen die Zusage: dein Glaube hat geholfen. Damit ist er auch innerlich ganz heil.

Da stellt sich für mich die Frage: kann der Glaube auch heute heil machen? Wir erleben das Christentum eher in einer großen Krise. Viele wenden sich ab, weil sie erfahren, dass die Repräsentanten auch viel Unheil anrichten und gerade nicht zum Heil-Werden beitragen. Dennoch ist es erstaunlich zu erleben, dass es immer wieder Menschen gibt, unterscheiden können zwischen den dunklen Seiten von Kirche und den beglückenden hellen Seiten der Botschaft. Ich erlebe immer wieder Menschen, die auch schwere Schicksalsschläge annehmen können und auch sagen können, dass ihnen der Glaube an Gott ganz viel Halt gibt. Menschen, die dunkle seelische Phasen mitmachen oder schwere Operationen erleben. Die sagen: ‚ich habe nie den Glauben an Gott verloren‘ oder: ‚ich habe nach langer Zeit den Glauben an Gott wiedergefunden‘.

Ich weiß, es gibt auch die andere Erfahrung: Menschen können auch ihren Glauben durch schmerzhafte Erfahrungen verlieren. Und wenn es nur eine kleine Minderheit ist, die auch innerlich eine Heilung erfährt wie der Fremde aus Samarien, so ist diese Haltung eine Ermutigung, meinen eigenen Glauben zu überprüfen, ob er so lebendig ist, dass er mich trägt. Ich darf mich überprüfen, ob mein Glaube mich einengt, bevormundet oder nichtssagend ist, oder ob er mich trägt und mir die Gewissheit gibt, dass Gott da ist, egal wie ich selber drauf bin.

Reinhard Bürger