Zu Beginn der Herbstferien, haben wir Erntedank gefeiert. Wir haben Dank gesagt für die Ernte des Jahres. Und wir haben geteilt: Die Erntegaben, die mit zur Kirche gebracht und vor den Altar gelegt wurden, wurden weitergereicht u.a. an die Suppenküche „Kana“ und die Dortmunder Tafel. Bei „Kana“ wurde aus den Lebensmitteln Essen gekocht für die vielen Menschen, die in unserer Großstadt Dortmund nicht genug haben, um sich zu ernähren (eine Schande für unseren Sozialstaat!); die anderen Gaben gingen an die „Tafel“ zur Weitergabe an bedürftige Menschen.
Die Herbstferien nannte man früher „Kartoffelferien“, in denen die Kinder mit aufs Feld zogen, um zu helfen. Noch Anfang der 1960er Jahre mussten alle mithelfen, die kostbaren Knollen aus der Erde zu holen, denn eine gute Kartoffelernte war lebenswichtig. Die Kinder durften „nachlesen“. Sie gingen die abgeernteten Reihen nach, und sammelten die vergessenen Kartoffeln ein; das war mühevoll und mit Rückenschmerzen verbunden.
Abends brannten die Kartoffelfeuer. Die Kinder warfen kleine Kartoffeln in die glühende Asche und konnten es kaum abwarten, bis sie gar waren. Sie verbrannten sich nicht selten den Mund. Aber egal, dieses Erlebnis in freier Natur war es wert.
Heute kommt eine Kartoffelernte ohne moderne Geräte nicht aus. Nach der Ernte kommen die Knollen noch auf dem Feld auf ein Förderband und werden von Steinen, Glasscherben und Unrat befreit. Die Kartoffeln kommen gleich auf Anhänger und werden zur Weiterverarbeitung an Händler verkauft. Und die kleinen Knollen werden nicht mehr an Schweine verfüttert, sondern als „Drillinge“, im Supermarkt angeboten.
Eine ältere Frau aus unseren Gemeinden erzählte mir vor einigen Tagen, dass man in der Nachkriegszeit im Ruhrgebiet ein Stück Land mit eingepflanzten Kartoffeln mieten konnte. Man erntete dann selbst, aber so hatten Familien im Winter genug zu essen. Diese Zeiten habe ich zum Glück nicht mehr erlebt, aber eines ist mir deutlich geworden: das Erntedankfest ist nicht nur eine schöne Tradition mit bunt geschmückten Kirchen, sondern jedes Jahr ein Grund, an die Menschen denken, die auch in der heutigen Zeit nicht genügend zu essen haben.
Hans-Dieter Schwilski