Raum schaffen

Es ist eine turbulente, eine gefährliche Szene. So emotional erlebe ich Jesus an keiner anderen Stelle des Evangeliums. Er wirft die Händler und Opfertiere aus dem Tempel, stößt die Tische der Geldwechsler um: „Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!“

Jesus in Rage. So kenne ich ihn nicht. Aber ich verstehe ihn. Er ist zornig, er ist enttäuscht, weil „der Markt“, weil das Geschäftemachen nun bis ins Heiligste hineinwuchert – und damit die Gier, das Geschacher, der Missbrauch von Menschen, der Missbrauch von Religion. Sein Gott, den er Vater nennt, steht für ein anderes Gesetz des Zusammenlebens: für die Liebe, die „gratis“ geschenkte Liebe. Im Himmelreich gelten die Gesetze der Liebe, nicht die des Marktes. Und nun nisten sich die Geschäftemacher sogar im Inneren des Tempels ein!

Ich stelle mir vor, der Tempel wäre ein Bild für mich selbst. Dass in mir selbst der heiligste Bezirk zugewuchert wäre durch das Habenwollen, die Gier, die Suche nach dem eigenen Vorteil? Die Räuberhöhle in mir? Meister Eckhard deutet die Stelle so. Es gilt, Platz zu schaffen für das Heilige in mir, das auszutreiben, was Gott den Platz in meiner Seele streitig macht.

Veränderung, Umsturz kommt nicht, indem ich die Tische der Wechsler umstürze und das Schwert ziehe. Der wahre Umsturz braucht größere Stärke: er geschieht da, wo Menschen sich um keinen Preis von der Liebe abbringen lassen. Wahre Veränderung geschieht da, wo ich Raum schaffe für Gott in meinem Leben, in meinem „Haus“ des Vaters. Gott will in mir wohnen und braucht dafür Raum und Platz – in meinem Herzen! (Verfasser unbekannt)