Hiob, der erfolgreiche, von Gott verwöhnte und von den Menschen geachtete fromme Jude, verliert kurz hintereinander alles, was sein Leben ausmacht: die Kinder kommen um, die Herden werden gestohlen, die Häuser brennen nieder, ihn selbst befällt Krankheit. Sein Glück hat ihn verlassen. Gott scheint ihn verlassen zu haben.

Hiob beschreibt sein Leben als Kriegsdienst, in dem er oft zu verlieren droht, als Schufterei, bei der  er oft um den Lohn gebracht wird. Er hat nichts mehr als schlaflose Nächte, die ihm keine neue Kraft geben. Er ist nur noch traurig. Was soll er mit einem Gott, der sowas zulässt?

Viele kehren Gott in solchen Situationen den Rücken – anders Hiob! Er lässt sich von seinem Elend nicht verschlingen, läßt sich von der Trauer nicht überwältigen. Er verstummt nicht vor seinem Elend. Er lässt sich auch nicht auf theologische Beschwichtigungen von Freunden ein. Er wehrt sich gegen alles fromme Gerede, dass ihm Schuld an seiner Situation geben will…

Hiob tut etwas, was viele vergessen haben, oder sich nicht trauen: er klagt betend an und betet klagend. Er „kotzt sich bei Gott aus“, würden wir heute sagen. Ohne Respekt ruft er: Schau, Gott, das hast du aus mir gemacht! Er klagt, er klagt an und, ganz erstaunlich: er hält an Gott fest!

Hiob mobilisiert seine ganze Hoffnung gegen jede Realität und Wahrscheinlichkeit. Seine Wut schlägt nicht um in Depression (also Aggression nach innen), sondern er lässt seine Wut zu und lässt sie raus. Das gibt ihm die Kraft, um sein Leben zu kämpfen. In seinem Protest steckt die Hoffnung, dass Gott Retter und Helfer ist. Wie Hiob zu beten heißt: zu Gott gegen Gott zu klagen.

Das ist etwas, was wir von Hiob lernen können: werfen wir Gott alle Wut, Trauer, Hilflosigkeit, Leere und alles Scheitern vor die Füße und erbitten wir von ihm einen Ausweg.

Ein Beispiel für diese zutiefst biblische Haltung ist der 69. Psalm:

Hilf mir Gott!

Schon reicht mir das Wasser bis an die Kehle.

In tiefem Schlamm bin ich versunken,

ich habe keinen Halt mehr.

Vom Rufen bin ich müde,

heiser ist meine Kehle.

Mir schwimmt alles vor meinen Augen,

während ich warte auf meinen Gott.