In Israel und im Gazastreifen verbreiten seit Tagen die Kämpfer der Hamas. Die Menschheit ist entsetzt über die Brutalität, mit der andere Menschen getötet werden. Die militärischen Schritte, die bislang unternommen worden sind, haben die Gewalt nicht eindämmen können. Im Namen Allahs werden Menschen gefoltert und gemordet. Islamischer Staat, Al Kaida oder Boko Haram, Hamas – Bewegungen, die einen religiösen Anspruch haben und gleichzeitig politische Macht ausüben wollen. Auch aus der hinduistischen Welt in Asien sind ähnliche Bewegungen bekannt. Und in Russland verbündet sich seit Jahren die Orthodoxe Kirche unkritisch mit dem „lupenreinen Demokraten“ Wladimir Putin und unterstützt seine Kriegspolitik in der Ukraine. Auch in manchen Ländern Südamerikas hat die Kirche lange die rechten Diktatoren unterstützt, bevor die eine „Theologie der Befreiung“ entwickeln konnte.

Und wenn man weiter in der Geschichte zurückgeht, wird man genügend Beispiele finden, wo die Kirche mit den Kaisern und Königen einen Machtkampf um die Frage geführt hat, wer denn nun in Europa der eigentliche Machthaber ist. Die Geschichte des Mittelalters ist voll von diesen Konflikten.

Weltliche Macht und religiöser Einfluss hingen oft eng zusammen. Es gab Fürst-Bischöfe, gleichzeitig kirchliche Autoritäten und Landesherren waren. Die Äbte großer Klöster waren oft auch die Herren eines Territoriums. Und die römischen Kaiser hatten einen gottgleichen Status und mussten angebetet werden. Das war der Grund für die Christenverfolgungen der frühen Jahrhunderte, weil die Christen sich weigerten, irgendeinen Menschen als Gott zu verehren. Es hat immer scharfe Auseinandersetzungen gegeben, um Religion und Staat zu trennen, in Europa die Säkularisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in Frankreich das Gesetz über klare Trennung von Kirche und Staat von 1905 und in der Türkei vor fast 100 Jahren ebenfalls die Errichtung eines säkularen Staates unter Kemal Atatürk im Jahre 1924.

Die Frage der Pharisäer an Jesus, ob Steuerzahlung an die Römer erlaubt sei, passt genau in dieses Thema. Sie wollen ihn aufs Glatteis führen. Seine Antwort kann eigentlich nur falsch sein. Stellt er sich positiv zu Steuerzahlung an Rom, dann steht er auf Seiten der verhassten Unterdrücker; lehnt er die Steuerzahlung ab, dann haben sie einen Grund, ihn bei den Behörden zu verklagen.

So aber zieht er sich aus der Schlinge. Er unterscheidet klar zwischen Kaiser und Gott, lässt aber auch dem Kaiser seine Kompetenz für die sogenannte weltliche Macht: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört.“ Damit stellt er klar: die Geldwirtschaft gehört in die Verantwortung der politisch Mächtigen, in Fragen des Glaubens haben aber die Politiker nichts zu sagen.

So haben wir heute als eine wichtige Errungenschaft der Menschenrechte die Religionsfreiheit: niemand kann zu einer religiösen Praxis gezwungen werden. Und jeder kann selbst bestimmen, wie er oder sie persönlich glauben will. Dazu gibt der Staat ihm die Möglichkeit.

Nun ist es aber in unserer heutigen komplizierten und vernetzten Welt gar nicht so einfach, in jedem Fall Religion und Staat zu trennen. Man kann fragen, warum es für die Christenkinder einen verpflichtenden Religionsunterricht an staatlichen Schulen gibt, aber nicht für jüdische oder muslimische Kinder. Und wieso zahlen die Christen eine Kirchensteuer, die Muslime aber nicht. Und warum zahlen Katholiken in Deutschland eine Kirchensteuer, aber in Frankreich nicht? – Aufgrund der Geschichte ergeben sich ganz unterschiedliche Fragen. Und dazu braucht es heute viel Nachdenken und Verhandeln, um jede Situation gerecht zu bewältigen. Nicht alles ist gleich zu behandeln. Manchmal ist es gut, wenn die Religionsgemeinschaften sich unabhängig von staatlicher Bevormundung entwickeln können. Manchmal ist es aber auch gut, wenn ein demokratischer Staat ein wachsames Auge auf Religionsgemeinschaften hat, die zum Extremismus und Fundamentalismus neigen. Deshalb ist eine klare Trennung zwischen Gott und Kaiser, zwischen Glauben und politischer Macht auf jeden Fall ein wichtiges Ziel in einem demokratischen Staatsgebilde. Da, wo sich die Interessen berühren, etwa im Erziehungswesen, muss man Verträge schließen. Religionen müssen lernen, sich zu beschränken in ihrem Anspruch. Ihre Überzeugungen und ihre Werte müssen sie in die Gesellschaft und Politik positiv einbringen – im Wettbewerb mit anderen, ohne sie aufdrücken oder aufzwingen zu wollen. Wir können niemand anderen zwingen, nach unseren Vorstellungen zu leben. Wir können das Lebensmodell des Evangeliums anbieten oder vorschlagen. Gott, wie wir ihn glauben, wird durch das Evangelium verkündet, und der macht frei.

Alle anderen von Menschen gemachte Götter, machen abhängig: der Wettergott, der Fußballgott, der Autogott, der Starkult. Unterscheiden tut gut – so wie Jesus es vormacht – und nicht alles in einen Pott werfen und gleichmachen.