Woher kommt unsere Energie? Diese Frage bewegt ganz Europa und die ganze Welt – spätestens seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine. Das Aus für Braunkohle und Steinkohle und alle fossilen Energieträger ist beschlossene Sache, Nord-Stream II – gestoppt. Energie aus Russland geht zur Zeit gar nicht mehr. Erneuerbare Energien aus Wind mit allen Möglichkeiten und Grenzen werden zur Zeit heiß debattiert. Autos, die mit Strom fahren, werden stark gefördert. Umweltfreundlich sind aber auch sie nicht. Wenn wir in unsere Siedlungen schauen, die Häuser werden nach und nach wärmegedämmt, Fahrradwege werden ausgebaut und gefördert… und so weiter.
Energie ist ein Schlüsselwort für unser Zusammenleben. Keiner möchte in einer ungeheizten Wohnung leben, im Dunkeln umhertapsen oder nur zu Fuß gehen. Das 9-Euro-Ticket ist eine politische Antwort auf die Frage, wie wir günstig Bahn fahren können und die Benzinpreise sind der aktuelle Renner unter den Themen in den Medien.
Energie ist auch für uns als Kirche ein Dauerbrenner. Vor einigen Tagen gab es für uns als Leiter von Pastoralen Räumen im Bistum einen digitalen Informationsaustausch mit der Frage: „Was beschäftigt euch in der Arbeit in den Pastoralen Räumen?“ Und man konnte bei allen Äußerungen eine Grundtendenz heraushören: Durch ‚Corona‘ hat sich in unserer Kirche eine Energiekrise offenbart, die schon länger zu spüren war, aber durch die Zeit der Pandemie noch einmal beschleunigt und verstärkt worden ist:
- viele ehrenamtliche Mitarbeitende sind nicht mehr da.
- Die Zahl der regelmäßigen Gottesdienstbesucher ist heftig geschrumpft
- Die Motivation für ein Interesse an einer Arbeit in der Pastoralen Räumen ist zurückgegangen, man interessiert sich vielleicht noch für die eigenen Gemeinde.
- Selbst in den vielen traditionell katholischen Landstrichen gibt ein kaum noch Gottesdienste, die früher selbstverständlich waren, wir Maiandachten oder Prozessionen.
- Ein Katholikentag mit nur wenigen Teilnehmern, der die gastgebende Stadt kaum prägt.
- Wenig Kinder, die ins Pfingstlager der Pfadfinder mitfahren.
Insgesamt war die Stimmung bei den Kollegen in diesem Austausch sehr verhalten bis gedrückt, Euphorie war nicht zu spüren.
Energiekrise also nicht nur bei Öl und Gas, sondern auch in der Glaubenspraxis und im kirchlichen Engagement.
Die Stimmung ist ähnlich wie sie bei den Jüngern Jesu nach seinem gewaltsamen Tod beschrieben wird. Sie schließen sich ein und fürchten sich vor dem, was draußen ist. Die Stimmung ist gedrückt, sie müssen das Geschehene erst einmal verarbeiten. Sie brauchen erst einmal diese Zeit, um ihre Wunden zu lecken und um zu verstehen, was passiert ist und sich die Frage zu stellen, wie es für sie dann weitergehen kann.
Dieser Frage müssen wir uns auch stellen: wo sind wir als Kirche in dieser Weltsituation
- zwischen Krieg und Frieden
- zwischen distanziertem Maskentragen und Riesenpartys
- zwischen Vertrauenskrise und Froher Botschaft?
So wie die Politik von der Frage getrieben ist: woher kriegen wir unsere Energie? – so stelle ich mir als Gläubiger auch diese Frage: Woher beziehe ich meine Energie für mein Leben, für mein Engagement, für meinen Glauben? Die biblischen Berichte über das Pfingstfest verdichten das so schön auf wenige Tage. Plötzlich soll alles wieder klar sein. Plötzlich haben die verschüchterten Jünger Jesu wieder Zivilcourage und gehen an die Öffentlichkeit. Ich glaube aber, dass dieser Prozess viel länger gedauert hat und sich erst nach und nach entwickelt hat. Begeisterung für eine Sache oder für eine Botschaft wächst langsam. Es sind kleine Schritte für uns, die wir gehen können. Wir müssen uns verabschieden von Zahlen und Bildern, die nicht mehr stimmen und nicht mehr stimmig sind. Wir brauchen als Kirche neue Ideen, neue Wege, um nach allen Krisen, die uns erschüttert haben, wieder glaubwürdig und authentisch handeln zu können. Pfingsten in diesem Jahr ist deshalb viel Mut zu kleinen und bescheidenen Schritten, heißt aber auch: Türen zu öffnen, durch die wir nach draußen unter die Menschen gehen können.
Reinhard Bürger