Die Zeit der Apostelgeschichte ist vergleichbar mit unserer Zeit: niemand weiß, wie es weitergeht. Die Apostelmänner und die Frauen, die zum engen Jüngerkreis gehören, sind nach allem, was sie erlebt haben, erst einmal desorientiert. Der gewaltsame Tod ihres Meisters hat sie tief getroffen, Als sie dann den Leichnam nicht mehr finden, sind sie erst recht verwirrt und die Ereignisse danach geben ihnen auch noch keine eindeutige Klarheit über ihre Zukunft. Deshalb ziehen sie sich zurück auf das, was sie kennen, an den Ort, an dem sie mit ihrem Herrn und Meister wohl das Paschamahl als Abschiedsmahl gefeiert haben: Rückzug bei geschlossenen Türen, ein Schutzraum für sie, damit sie sich nicht dem Gerede und dem Getuschel der Zeitgenossen aussetzen müssen. Wir kennen Schutzräume aus den verschiedenen Zusammenhängen.
Die Aussätzigen der Antike wurden vor die Tore ihrer Städte verbannt, um die Bewohner nicht anzustecken. Die Hospize des Mittelalters hatte spezielle Türen und Klappen, damit den ansteckend Kranken die Kommunion durch eine kleine Klappe gereicht werden konnte und sich sonst niemand anstecken konnte. In den Weltkriegen des letzten Jahrhunderts gab es überall Schutzräume und Bunker, in die man bei Luftalarm flüchten konnte.
Für uns heute besteht der Schutzraum aus einem Nase- und Mundschutz, einem Mindestabstand und umfassenden Schutzkonzept. Heute heißt der Schutzraum „Distanz“. In allen Fällen bedeutet aber eine solche Zeit eine große innere Unsicherheit, weil noch keiner weiß, wie es weitergeht. Für die Jüngerinnen und Jünger war die Zukunft völlig unklar, es gab kein Verhaltensmuster, so dass man hätte sagen können: wir kennen das schon, wenn wir uns nur so oder so verhalten, wird das schon wieder. Und für die Menschen in den Bunkern war nicht klar, ob ihr Haus noch stand nach einem Fliegerangriff und was dann die Zukunft brachte. Und für viele unserer Zeitgenossen ist auch die Zukunft noch völlig unklar: die Menschen, die in der Fleischindustrie arbeiten und dringend auf den Lohn angewiesen sind; die Mitarbeitenden in den großen Firmen, etwa der Lufthansa, wo Menschen entlassen werden müssen; die Beispiele sind uns in den Medien oder durch eigene Erfahrung sehr präsent.
Als Kirche und Gemeinde müssen wir uns dem stellen. Die Bedingungen für die Gottesdienste sind schon sehr ungewohnt. Wir müssen die Zahl der Teilnehmer an den Gottesdiensten beschränken, die Erstkommunionfeiern für die Kinder und andere Feiern verschieben in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Viele bleiben ganz zu Hause, weil sie Angst vor Ansteckung haben und sind nur mit dem Fernseher oder dem Computer mit Gemein-de und Kirche verbunden, obwohl sie lieber die persönliche Begegnung suchen. Menschen brauchen in solchen Zeiten viel Geduld. Von den Jüngerinnen und Jüngern heißt es: „sie verharrten einmütig im Gebet“.
Diese Hängepartie wird sich erst durch die Erfahrung von Pfingsten lösen, wo sie wieder unter die Menschen gehen können und wo sie wieder Kommunikation aufnehmen können, ohne Angst zu haben. In der Liturgie wissen wir, dass am nächsten Sonntag wieder Pfingsten ist. Aber unsere Hängepartie ist dann sicherlich noch nicht vorbei. Was wir brauchen, können wir zusammenfassen in dem, was die junge Kirche tut: so miteinander kommunizieren, dass keine Spaltung entsteht und im Gebet bleiben, damit das Grundvertrauen auf Gott gestärkt bleibt. Mein Beten ist ein Beten darum, dass Gott mir Stärke, Kraft und Geduld geben möge – und das Vertrauen, jede Krise des Lebens zu bestehen.
Genau das versuchen wir in den Gottesdiensten, die wir feiern, auch zu praktizieren, einmütig im Gebet zu sein. Ich bin deshalb auch traurig, dass diese Chance oft übersehen wird. In der Ausgabe zu Christi Himmelfahrt der Ruhr-Nachrichten war ein Artikel: 10 Möglichkeiten, den Feiertag sinnvoll zu begehen. Vieles wurde vorgeschlagen, was möglich ist: in den Zoo zu gehen, Wanderungen oder Fahrradtouren zu machen usw. Aber dass es auch eine Möglichkeit sei, einen der vielen Gottesdienste zu besuchen, die es hier in Dortmund wieder gibt, darauf schien der Autor des Artikels nicht zu kommen.
Wir wollen trotzdem den Impuls der Apostelgeschichte ernst nehmen: in guter Kommunikation zu bleiben und das Vertrauen in den Geist Gottes lebendig zu halten. Deshalb la-den wir auch ein, ab Pfingsten wieder die Eucharistie zu feiern. Das erste Pfingstfest gilt als der Geburtstag der Kirche und mit aller Vernunft, aber auch aller Freude dürfen wir das in einer Woche auch wieder tun.