In einem meiner Gemeindenachrichten-Vorworte des Jahres 2021 habe ich daran erinnert, daß im Jahre 321 in einem Dekret des römischen Kaisers Konstantin die Kölner jüdische Gemeinde explizit erwähnt wird. Im letzten Jahr haben wir also 1700 Jahre jüdisches Leben auf deutschem Boden gefeiert!
In diesem Vorwort möchte ich kurz davon erzählen, dass es seit 2017 in Köln einen jüdischen Karnevalsverein gibt: die „Kölschen Kippa Köpp“. 90 Jahre nach dem ersten jüdischen Karnevalsverein gründet man sich neu. Die Kippa ist die kleine Kopfbedeckung jüdischer Männer. Aber in diesem Verein trägt man zu Karneval natürlich nicht diese Kippa, sondern eine Narrenkappe in blau-weißen Farben, den Farben Israels. An jeder Kappe kann man eine Art Geheimfach aufklappen, dann erscheint auf rot-weißem Grund, den Farben der Stadt Köln, ein Reisegebet in hebräischer Sprache. Mit diesem schönen religiösen Zeichen will man sagen: Im Karneval geht es darum, aus dem Haus zu gehen, sich an andere Orte zu begeben, zu „verreisen“, andere, unbekannte Menschen zu treffen und dort eine gute Zeit zu haben. Das Gebet bittet um eine gute Reise und Freundlichkeit im Umgang miteinander.
Das Gebet denkt aber noch weiter: der Karneval ist die zweite Heimat vieler „reisender“ Menschen in unserem Land geworden: Menschen mit Migrationshintergrund, unterschiedlichster Kultur und Religion. Heimat ist nicht nur der Ort, an dem man geboren und aufgewachsen ist. Heimat kann auch der Ort sein, an dem man lebt, an den es einen verschlagen hat. Der Philosoph Michael Sandel schreibt: „Üblicherweise denken wir an Heimat als einen Ort, an den wir zurückkehren, einen Kindheitsort. Aber ich meine, dass Heimat etwas ist, worauf wir zustreben. Heimat gleicht einer Erwartung, die wir auf dem Lebensweg mit einem Blick zurück in unsere Vergangenheit immer neu interpretieren.“
Ist nicht die Gemeinschaft des gemeinsamen Feierns solch ein Ort, an dem man Heimat finden kann? Schon deswegen ist es so schade, daß wir auch in diesem Jahr wieder nur sehr begrenzt Karneval werden feiern können.
Das Lied „Unser Stammbaum“ der Gruppe Bläck Fööss beschreibt die Vision von der gemeinsamen Heimat aller Menschen so:
Ich bin Grieche, Türke, Jude,
Moslem un Buddhist,
mir all, mir sin nur Minsche,
vür´m Herjott simmer glich.
Su simmer all he hinjekumme,
mir sprechen hück all dieselve Sproch.
Mir han dodurch su vill jewonne.
Mir sin wie mir sin, mir Jecke am Rhing.
Stefan Wallek
(© Foto: Julia Steinbrecht/KNA )