21. Sonntag im Jahreskreis B, 21./22. 8. 2021
Weggehen – das ist das Thema in vielen Veröffentlichungen über Kirche in unseren Tagen. Regelmäßig werden die Zahlen über die Austritte aus den großen Kirchen veröffentlicht. Und wir bekommen in den Gemeinden auch regelmäßig die Zahlen über die Austritte hier aus unseren Gemeinden. Oder wir stellen fest: durch die Corona-Pandemie haben viele entdeckt, wie schön die Gottesdienste am Fernsehen sind – und sie behalten diese Gewohnheit bei.
Aber die ausdrücklichen Kirchaustritte haben immer auch ihren oft berechtigten Grund: die Missbrauchsfälle, die Verärgerung über mangelnden Reformwillen, kaum Bewegung bei der Gleichberechtigung der Frauen – oder auch: fehlende Plausibilität des Glaubens – Was bringt mir der Glaube? Ich bin auch ohne Glauben glücklich.
Diese Fragen sind gar nicht mal neu. Schon der berühmte Auszug aus Ägypten in das Gelobte Land ist nicht unumstritten: die Religionen der benachbarten Völker sind attraktiv und versprechen Glück und Wohlstand. Und so muss der Anführer Josua bei der Versammlung der Stämme in Sichem die Frage stellen: „Wenn es euch nicht gefällt, dem Herrn zu dienen, dann entscheidet euch heute, wem ihr dienen wollt.“
Oder in den Evangelien, wo Jesus die Jünger vor die Frage stellt: „Wollt auch ihr gehen?“
Bleiben oder Gehen – die existentielle Frage auch für Christen heute. Und wir müssen unterscheiden: Bleiben in der Kirche – und verbleiben in einer lebendigen Gottesbeziehung. Mancher bleibt der Kirche fern, hat aber durchaus einen sehr lebendigen Draht zu Gott und weiß sich von ihm gehalten und getragen. Und es wird auch umgekehrt welche geben, die zwar in der Kirche mitmachen, aber den Kontakt zu Gott trotzdem verloren haben.
Und irgendwie stellt sich für jeden die Frage: bleibe ich oder gehe und suche mir eine Alternative? Und es gibt genug andere Möglichkeiten, meinem Leben einen Sinn zu geben: ein Engagement gegen den Klimawandel, ein zeitfüllendes Hobby, Sport, Yoga-Kurse, usw. Ein Fazit aber bleibt: in einen Glauben wachse ich nicht mehr so einfach hinein, sondern muss mich auch bewusst dafür entscheiden: nicht nur bei der Taufe oder bei der Firmung, sondern immer, wenn sich neue Herausforderungen im Leben stellen: Leben in Partnerschaft, berufliche Ansprüche, Verlusterfahrungen, Krankheit, Tod. Immer dann kommt auch die Frage auf: Wollt auch ihr weggehen?
Und es gehen tatsächlich viele und sagen: da können wir nicht mehr mitgehen. Die Worte von damals passen auch heute noch.
Aber es gibt auch die andere Seite: Petrus ist es, der die Gegenfrage stellt: Herr, zu wem sollen wir denn gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens! Und das ist es, was mir persönlich hilft. Ich habe im Laufe meines Lebens immer wieder Worte gefunden, die mich gehalten und getragen haben. Dazu gehören:
Ich bin das Brot des Lebens.
Liebt einander, wie ich euch geliebt habe.
Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.
Ich bin gekommen, damit sie Leben haben und es in Fülle haben.
ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.
Dein Wort ist meinem Fuß eine Leuchte.
Das können Worte sein wie eine Kurzbotschaft, eine SMS oder WhatsApp. Sie kommen mir in den Sinn, wenn ich Halt suche oder ins Schwimmen komme. Manchmal ist es nur ein einziger kleiner Stoßseufzer, manchmal ein Motto für ein ganzes Leben oder einen Lebensabschnitt: Der Gründer von Taizé Roger Schutz hat es auch in einem solchen wegweisenden Worte einmal so gesagt: „Versuche das vom Evangelium zu leben, was du verstanden hast, und sei es auch noch so wenig.“ Ich hatte gestern eine Taufe, bei der die Eltern ihrem Kind ein Segenswort mit auf den Weg gegeben haben: „Denn er hat deinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf all deinen Wegen“ (Ps 91,11). Das kann so ein prägnantes, kurzes Wort des Lebens sein, wie es Petrus andeutet. Und das kann auch hoffentlich Kraft geben, wenn das Leben mit aller Härte zuschlägt, wie für viele Menschen in diesen Tagen. Ein solches Wort des Lebens kann dann wirklich Halt und Phantasie und Stärke geben.
Reinhard Bürger