Auf eine Anfrage des Rates der Stadt Köln erließ der römische Kaiser Diokletian im Jahre 321 ein Dekret, in dem er erlaubte und wünschte, dass Menschen jüdischen Glaubens gleichberechtigt mit allen anderen in allen Gremien der Stadtverwaltung Verantwortung übernähmen. Es ist der erste Beleg für jüdisches Leben nördlich der Alpen und somit auch in Deutschland. Wir stehen mitten im Jahr, das dieses 1700. Jahrestages  gedenkt.

Nun wissen wir, dass es so harmonisch im christlich-jüdischen Zusammenleben nicht blieb. In ganz Europa machte sich religiöser Antisemitismus breit. Über Jahrhunderte kommt es immer wieder zu Massenmorden, Vertreibungen, zu Ghettoisierung. Man hält die Juden für Gottesmörder, macht sie verantwortlich für alle möglichen Probleme und Katastrohen. Dieser religiöse Antisemitismus hat nichts zu tun mit dem biologistischen Antisemitismus der Nationalsozialisten – aber christliche Theologie hat sicherlich geholfen, den Humus zu bereiten, damit die NS-Ideologie sich gut entwickeln konnte. Die indifferente Haltung der Kirchen in Deutschland hat sein Übriges dazu getan.

1948 stießen Christinnen und Christen in Deutschland einen christlich-jüdischen Dialog an. Dieser Dialog war weniger davon gekennzeichnet, einander besser kennenzulernen, sondern die Christen suchten einen Weg, mit ihrer Schuld umzugehen. Viele kritisierten an diesem Dialog schon sehr früh, dass die Augenhöhe fehle – Vertreter von vielen Millionen Christen sprechen mit Vertretern von nur 200.000 Jüdinnen und Juden.

Für nachfolgende Generationen tritt die Schuldfrage in den Hintergrund. Man lebt selbstverständlich mit- und nebeneinander. Deswegen überaltert der offizielle Kreis der Vertreter im christlich-jüdischen Dialog. Der 1948 gut gemeinte Impuls, eine Dialog-Institution zu schaffen, kommt an seine Grenzen.

Und doch ist Dialog wichtig und er findet statt! Mittlerweile, so scheint es mir, hat die jüdische Seite die Initiative übernommen. Man setzt auf direkte Begegnung. Man möchte miteinander, nicht übereinander reden: die Projekte „Rent a Jew“ oder „Meet a Rabbi“ (Buche einen Juden, Triff einen Rabbi) laufen erfolgreich.

Besonders hinweisen möchte ich auf ein Projekt des Musikers Nur Ben Shalom, der zusammen mit dem evangelischen Kirchenkreis Berlin das Projekt „Lebensmelodien“ initiiert hat. Lieder, Melodien, Klänge, die von jüdischen Musikerinnen und Musikern in der Zeit der Shoah geschaffen wurden, erklingen wieder. „Auf jeder Zusammenarbeit ruht Segen und alle Versuche, Menschen zu verbinden für eine bessere Zukunft, sind großartig… Als Musiker und Mensch interessieren mich die Musik und das allgemein Menschliche. Ob man das in irgendeine Institution einordnen kann, interessiert mich eigentlich nicht“, sagt Nur Ben Shalom.

Seit der NS-Zeit hat es in Deutschland nicht mehr so viele antisemitische Anschläge und Übergriffe auf jüdische Mitbürger und Einrichtungen gegeben, wie in diesem und im letzten Jahr. Es werden wieder absurde Verschwörungstheorien verbreitet, die sich um das Judentum drehen.

Welches Bild haben Sie eigentlich vom Judentum?

Wie denken Sie über Jüdinnen und Juden?

Kennen Sie jüdische Menschen?