Diese Gemeindenachrichten erscheinen zum 5. Sonntag in der Osterzeit, an dem wir aus dem Johannesevangelium das bekannte Gleichnis vom Weinstock und den Reben hören (Joh 15,1-8).

Die Bildsprache vom Abschneiden, Wegwerfen und Verbrennen von Reben kann auch Angst machen. Sie kann den Eindruck entstehen lassen, dass es schlechte Reben gibt, die identifiziert und abgeschnitten werden müssen. Oder anders gesagt: Dass wir alles moralisch bewerten und ausmerzen müssen, was keine Frucht (mehr) bringt.

Wer sich mit Wein auskennt, weiß jedoch, dass es kaum eine andere Fruchtpflanze gibt, die stärker beschnitten werden muss. Weinstöcke wuchern geradezu, und deswegen müssen Weinstöcke auch mehrmals jährlich stark beschnitten werden, damit sie gute Früchte tragen.

Das Wegschneiden von Reben ist somit Voraussetzung für das Fruchtbringen, es ist kein moralisches Urteil darüber, ob die Rebe gut oder schlecht war, ob sie einst Frucht brachte oder schon immer ein Trieb war, der für die Frucht an einem anderen Trieb gestutzt wurde.

Dieses Bild passt geradezu perfekt zu unserer momentanen kirchlichen Situation. Auch wir müssen heute stutzen und wegschneiden. Nicht, weil die „älteren Reben“ schlecht waren oder sind, sondern damit die ganze Pflanze an sich Kräfte in die Reben stecken kann, die Frucht bringen können. Das können junge und neue Triebe sein, das können gut gestutzte und gepflegte ältere Triebe sein. Wichtig jedoch, um in dieser botanischen und biblischen Bildsprache zu bleiben, ist Folgendes: Keine Rebe bringt aus sich Frucht hervor. Es ist keine Entscheidung der Rebe, wo der Weinstock seine Energie hingibt. Es ist der Winzer, also Gott, der den Weinstock pflegt und ihn schneidet. Ihn müssen wir suchen, seine winzerischen Tätigkeiten am heutigen Leib Christi, unserer Kirche, die aus uns allen besteht, unvoreingenommen aufspüren, damit wir jene Reben erkennen, mit denen er heute Frucht in diese Welt bringen möchte.

Wir haben die Aufgabe, mit dem Winzer Gott über den Weinstock Jesus eng verbunden zu bleiben. Bereit zu sein, wenn der Geist uns die Kraft gibt, an unserer Rebe Frucht zu bringen, aber uns genauso zu erfreuen, wenn wir sehen, dass nun eine andere Rebe Frucht bringt. Allein auf Jesus zu vertrauen ist unserer Aufgabe, und dieser vertraut als Weinstock darauf, dass Gott ihn so pflegt und beschneidet, dass er zu jeder Zeit in dieser Welt auch neue Frucht bringen kann.

Stefan Kaiser

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