Der brasilianische Erzbischof Dom Helder Camara wurde 1955 beauftragt, den eucharistischen Weltkongress in Rio de Janeiro zu organisieren. Der Kongress ging mit großer Prachtentfaltung über die Bühne. Helder Camara war überzeugt: Die Verehrung Jesu in den Gestalten von Brot und Wein muss und darf man sich etwas kosten lassen.

Am Ende des Kongresses bat ihn der alte Kardinal aus Lyon in Frankreich um ein Gespräch. Was dieser alte Mann ihm sagte, das traf Helder Camara wie ein Blitz – so hat er es später immer wieder selbst erzählt. Er sagte zu ihm: „Mein Bruder Dom Helder, weshalb setzen sie ihr großes Organisations-talent nicht im Dienst der Armen ein? Sie müssen wissen, dass Rio de Janeiro zwar eine der schönsten Städte der Welt ist, aber auch eine der grauenvollsten. Die in dieser herrlichen Umgebung existierenden Elends-viertel sind eine Beleidigung für den Schöpfer.“ Helder Camara erzählt, dass dieses Gespräch für ihn wie eine tiefgehende Bekehrung war. Er stellte sich seitdem ganz konsequent auf die Seite der Armen und in ihren Dienst.

Manchmal lese ich Predigten, die andere gehalten haben. Im letzten Jahr stieß ich auf einige Sätze, die mich aufhorchen ließen, aber auch ein wenig verwirrt haben: „Willst du den Leib Christi ehren? Dann übersieh nicht, dass dieser Leib nackt ist. Ehre den Herrn nicht im Haus der Kirche mit seidenden Gewändern, während du ihn draußen übersiehst, wo er unter Kälte und Böße leidet. Was nützt es, wenn der Tisch Christi mit goldenen Kelchen überladen ist, er selbst aber vor Hunger zugrunde geht? Sättige zuerst ihn, der hungert; dann schmücke seinen Tisch mit dem, was übrig ist.“

Die Predigt, die ich da gelesen hatte, stammte übrigens nicht von einem linken Vogel im modernen Klerus. Sie stammte von Johannes Chrysostomus, einem der großen Kirchenlehrer der alten Kirche. Wenn man seine Worte in Ruhe überdenkt, dann wird man eingestehen müssen: Er hat Recht! Ehre den Herrn nicht im Haus der Kirche in seidenden Gewändern, während du ihn draußen übersiehst, wo er unter Kälte und Blöße leidet.

In der Feier der Eucharistie begegnen wir Jesus: sowohl in seinem Wort, wie auch in den Gestalten von Brot und Wein. Wir begegnen ihm genauso in den vielen Menschen, die unsere Freundlichkeit, unser Verständnis, unsere Zuwendung brauchen, in den vielen, die heute hungern, denen grund-legende Menschenrechte vorenthalten werden. Die Begegnung mit ihm im Gottesdienst will uns dafür immer wieder neu die Augen öffnen.

Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben … Ich war’s. Nehmen wir das ernst? Oder ist das nur ein frommer Spruch? Deshalb muss in unseren Gottesdiensten auch immer wieder von der Not in der Welt die Rede sein, vom Unrecht, das anderen geschieht. Gottesdienst ist kein Museum, kein Naturschutzpark. Er gehört mitten in unser Leben hinein.

Im Gottesdienst dürfen wir Jesus begegnen. Im Wort, das er uns zusagt genauso wie im Zeichen des Brotes. Hier will er uns sagen: Ich bin bei dir, jeden Tag. Ich kenne deine Sorgen. Ich weiß, was dich bedrückt, was dir Angst macht. Verlass dich darauf: Ich bin bei dir!

Darum ist die Eucharistiefeier die Mitte christlichen Lebens, die Mitte der Gemeinde.  Und dort, im Gottesdienst, macht Jesus uns auf die Nöte der Mitmenschen aufmerksam. Gebt ihr ihnen zu essen …

Das ist und bleibt eine große Herausforderung. Nicht zuletzt auch deshalb weil der Nöte unserer Mitmenschen immer größer werden: weltweit aber auch in unserem eigenen so reichem Land. Gebt ihr ihnen zu essen. Das heißt doch: gebt ihr ihnen das, was sie zum Leben brauchen! Wo du jemanden kennst, der einsam ist, der alleine lebt: besuche ihn. Oder lade ihn ein. Wo du von jemandem weißt, der trauert oder in tiefen Depressionen steckt: Geh hin. Opfere ein Stück deiner Zeit. Lebe nicht nur für dich alleine.

Gebt ihr ihnen zu essen. Das ist Jesu Auftrag an uns. Amen.