Taufe des Herrn B, 07.01.2024

Vorgestern Abend habe ich eine WhatsApp von meinem Neffen bekommen mit dem Text:

„Es ist ein Wunder, sagt das Herz.

Es ist eine große Verantwortung, sagt der Verstand.

Es ist viel Sorge, sagt die Angst.

Es ist eine enorme Herausforderung, sagt die Erfahrung.

Es ist das größte Glück, sagt die Liebe.

Es ist unser Kind, sagen wir. Einzigartig und kostbar.

Marleen, geboren am 4. 1. 24,

wir sind unfassbar glücklich.

Matthias und Pia“

Ich finde, das passt gut zu der frohen Botschaft von heute mit der Stimme aus dem Himmel: ‚Du bist mein geliebter Sohn.‘

Wenn ich etwas Neues anfangen will, dann brauche ich zunächst ein Signal, dass ich willkommen bin. Wer eine neue Stelle antritt, hat von seinem Arbeitgeber die Zusage: wir können dich gebrauchen, nach allem, was wir im Augenblick beurteilen können, sind Sie der richtige für uns. Wer heiratet, bekommt von seinem Partner die Zusage: Ich nehme dich an! Wenn Kinder ins Leben eintreten, bekommen sie im Normalfall von ihren Eltern vermittelt: wir haben uns auf dich gefreut, du gehörst jetzt zu uns. Die grundsätzliche positive Zusage muss am Anfang stehen, wenn etwas gut gelingen soll.

Wenn ein Kind am Anfang des Lebens diese Erfahrung durch seine Eltern nicht machen kann, wird es sich wesentlich schwerer tun im Leben und immer wieder um Anerkennung kämpfen müssen. Diese positive Zusage am Anfang einer Lebensphase gibt Sicherheit: ich bin hier gewollt, man kann mich hier gebrauchen; ich stehe nicht auf einer Abschussliste, ich muss nicht um meine Existenz kämpfen. Diese grundsätzliche Annahme macht stark und lebensfähig. Sie ist auch Voraussetzung dafür, dass man später auch Kritik äußern kann. Wo ein Kind grundsätzlich weiß, dass es von seinen Eltern geliebt ist, da wird es auch verkraften können, dass die Eltern auch mal schimpfen oder etwas kritisieren. Und wo ein Arbeitnehmer weiß, dass er in seinem Betrieb willkommen ist, wird auch hier ein Konflikt nicht gleich zur Katastrophe.

Am Beginn einer Lebensphase muss die Gewissheit stehen, dass ich hier richtig liege. So ist auch die Taufe Jesu zu verstehen. Nach seiner Zeit im Elternhaus und im Heimatdorf tritt Jesus selbst in eine neue Lebensphase ein. Es wird sein Wirken in der Öffentlichkeit sein. Er begegnet dem Täufer Johannes und lässt sich von ihm taufen. Und diese Begegnung bringt ihm die Gewissheit, dass er richtig liegt. Die Jahre des Predigens und des öffentlichen Wirkens passieren in der Gewissheit, dass Gott hinter ihm steht und sein Wirken stützt. Nur deshalb ist er in der Lage, Menschen um sich zu sammeln, sich mit den Autoritäten anzulegen, und das auch bis zur letzten Konsequenz zu tun, nämlich dem Kreuzestod nicht auszuweichen. Er verspürt, dass genau das seine Berufung ist. Oder wie wir heute gern sagen: Er merkt, dass das sein Ding ist. Er hat seine Identität gefunden und ist darin von Gott bestärkt worden.

Das Motiv der Taufe haben wir als Christen übernommen. Bei uns sind es meistens die kleinen Kinder, die getauft werden. Schon am Anfang ihres Lebens zeigen wir damit: Gott ist mit diesem Kind. Das Leben steht unter einem positiven Vorzeichen. Der Familie und dem Täufling wird gezeigt: du gehörst zu uns als Gemeinde und als Kirche; du bist hier richtig, wir wollen mit dir leben. Und diese Zusage gilt auch dann, wenn du es selbst mal irgendwann anders siehst und vielleicht aus der Kirche austrittst. Die Installation an der Rückwand der Kirche mit dem Taufbuch und den Fotos der Täuflinge soll genau das zeigen. Und jeder Mensch wird in seinem Leben immer wieder an die Taufe erinnert, zum Beispiel die Kommunionkinder bei der Erstkommunion und die Firmbewerber vor der Firmung; und alle jedes Jahr in der Osternacht. Dann ist die Gelegenheit, dass jeder von uns für sich sagen kann: ja, ich bin getauft, das ist mein Ding; ich will dazugehören; ich weiß, dass ich hier auf dem richtigen Wege bin.

Auch das ist ein Grund dafür, dass ich Konflikte verkrafte oder schwierige Situationen bewältigen kann. Wenn ich grundsätzlich darum weiß, dass ich in der Kirche gewollt bin, so wie ich bin, dann kann ich auch die vielen Widerstände einordnen, die ich erlebe. Lethargie in der Kirche, Unfähigkeit zu Reformen, die krampfhaften Versuche, neue Schritte zu gehen, etwa bei der Segnung von Menschen, Skandale aller Art bleiben ärgerlich, können aber letztlich meine Grunderfahrung nicht zerstören, die da heißt: ich bin ein von Gott geliebter Mensch, Gott hat an mir Gefallen gefunden. Diese Erfahrung darf ich mir niemals kaputt machen lassen.

Wenn Taufe tatsächlich das grundlegende Sakrament ist in allen christlichen Konfessionen, wenn wir uns immer wieder bei jedem Kreuzzeichen daran erinnern, dass ist die grundsätzliche Atmosphäre in der Kirche die: wir nehmen einander an. Wir sagen auch zueinander „Ja“. Wir wertschätzen einander. Wir wissen, wenn wir in unserer Welt etwas Positives bewirken wollen, dann steht auch für uns am Anfang die Überzeugung: Ich bin eine geliebte Tochter – ich bin ein geliebter Sohn.

Reinhard Bürger