Im Februar letzten Jahres habe ich noch, wie seit vielen Jahren schon, mit Freundinnen und Freunden wunderbar fröhliche Tage im Kölner Karneval verbracht… im März dann der erste Lockdown – nicht die Jecken, Corona hatte uns jetzt voll im Griff! Und das ist bis heute so geblieben. In diesem Jahr fällt Karneval aus, dabei sehnen wir uns nach nichts mehr als nach Unbeschwertheit, Ausgelassenheit und unverkrampfter Begegnung und Nähe mit anderen Menschen…
Viele können nicht verstehen, warum ich alljährlich nach Köln fahre, um Karneval zu feiern. Sie halten das alles für spießig und aufgesetzt. Nun sind die Ursprünge des Karnevals ja christlich – man ließ noch einmal „die Sau raus“, bevor es in die strenge Fastenzeit ging, um nach 40 Tagen Auferstehung zu feiern. Von einem zutiefst christlichen Aspekte des Kölner Karnevals möchte ich kurz erzählen.
Köln wurde viele hundert Jahre von Stadtsoldaten bewacht. Eine stramme Truppe scheint das aber nie gewesen sein. Es gibt viele Berichte über schlechte Führung, schlechte Bezahlung, über Unmotiviertheit und Faulheit. Verbürgt ist die Erzählung über den Stadtsoldaten, der den Preußen in der Schlacht zugerufen hat: „Hört auf zu schießen, seht ihr denn nicht, dass hier Leute stehen!“ Wenn das nicht Pazifismus ist! Als sich 1823 der Karneval neu organisierte, war die französische Besatzung abgezogen und die Preußen hatte Köln besetzt. Um ein Zeichen für den Frieden und gegen allen Militarismus zu setzen, gründeten sich in Erinnerung an die alten Stadtsoldaten die Roten Funken – die berühmteste Garde im Kölner Karneval bis heute! Sie sind eine Satire auf das Militärwesen aller Zeiten. Wenn sie zum Appell antreten, dann steht da nichts in Reihe und Glied, „Links um!“ und „Rechts um!“ wird verwechselt, soll das Gewehr präsentiert werden, dann müssen es einige immer suchen und wenn es dann alle gefunden haben, dann sehen wir: es ist aus Holz.
Was schreibt doch der Prophet Jesaja: „Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen“ (Jes 2,4). Der Karneval ist auch eine Zeit, die uns darauf aufmerksam machen will, wie unfriedlich es bei uns und in der Welt ist. Von daher ist es auch nicht verwunderlich, dass „Arsch huh, Zäng ussenander“ (A… hoch, Zähne auseinander), eine Kampagne gegen rechte Gewalt, in Köln entstanden ist. Viele Tausende kommen zu den Konzerten, auf denen auch Bands wie die Black Fööss und die Höhner singen und erinnern uns daran, dass wir zusammenstehen sollen, dass Unterschiede eher von Vor- als von Nachteil sind, dass Frieden verletzlich, aber auch möglich ist, wenn wir ihn weitertragen – „in unsrem Veedel“ (in unserem Viertel) und auf der ganzen Welt.
Das erste, was der Auferstandene den Jüngern zuspricht ist: „Der Friede sei mit euch!“
Stefan Wallek