Predigt zum Pfingstfest 2024
Pfingsten nehmen wir den guten heiligen Geist Gottes in den Blick (dunkle Ungeister gibt es mehr als genug in unserer Welt). Der gute heilige Geist Gottes steht immer für das Leben.
Mich erinnert das an 3 Jubiläen, die wir in diesem Monat in Deutschland feiern und in denen jedes Mal dieser gute heilige Geist Gottes gewirkt hat.
Vor 200 Jahren wurde zum ersten Mal Ludwig van Beethovens Neunte aufgeführt. Sie ist eines der populärsten Stücke der Musikgeschichte. Einen Ausschnitt davon haben wir gerade gehört. 1985 erwählte die Europäische Union das Hauptthema des Schlusssatzes zur Europa Hymne. Freude schöner Götterfunken – Beethoven schaute auf Jahrzehnte von Kriegen und Revolutionen zurück und versteht seine Musik als einen Appell: Sehnsucht nach Verbrüderung, nach Freude, nach Jubel, die Utopie eines Weltfriedens, nach einer Welt ohne Kriege und Zerstörung. Was könnte aktueller sein?
Vor 75 Jahren wurde unser Grundgesetz verabschiedet. Ein Text, der auf die gleiche Würde und Bedeutung eines jeden Menschen schaut; der ein solidarisches und friedliches Miteinander gewährleisten möchte; ein Leben in Wohlstand und Frieden. Auf dieser Grundlage funktioniert unsere Demokratie und auch das Zusammenleben im europäischen Kontext. Mit diesem guten Geist, der in den Texten des Grundgesetzes steckt sind wir in den letzten 7 Jahrzehnten sehr gut gefahren. Es gibt 4 Frauen, die sehr stark bei der Entstehung mitgewirkt haben: sie werden oft als die Mütter des Grundgesetzes bezeichnet. In Hohenbuschei, wo ich wohne, wurden 4 Straßen nach ihnen benannt.
Und das 3. Jubiläum, das nicht bei allen von uns nur Freude auslösen wird, ist die Einrichtung der Punktekartei für Straßensünder in Flensburg. 50 Jahre ist es her und damals starben auf unseren Straßen jährlich 22.000 Menschen.
Inzwischen sind es 90% weniger, die bei einem Verkehrsunfall zu Tode kommen. Natürlich gibt es entsprechende technische Erneuerungen die ihren Anteil daran haben dass wir uns sicherer im Straßenverkehr bewegen. Vermutlich hat die damalige Einrichtung dieser Punktekartei aber auch zu entsprechenden Verhaltensveränderungen bei vielen geführt. Und das diente dem Leben. Also auch hier der gute heilige Geist Gottes.
Vielleicht kommt jetzt bei dem ein oder anderen ein „Ja, aber…“ hoch oder die Frage: ist das nicht zu blauäugig gedacht?
Klar, es gibt auch Russland und die Ukraine, es gibt Israel und Palästina, oder auch China und Taiwan, nicht zuletzt dann noch die anstehenden Wahlen in den USA. Wir werden immer wieder aus unseren Träumen gerissen. Sinnloser Hass, blanke Ver-blendung. Unsere Welt ist gefährdet – und dabei haben wir noch nicht einmal über den Klimawandel gesprochen. Es gibt diese Ungeister, die scheinbar wirksamer sind als der gute heilige Geist Gottes.
Gerade da, wo unsere Ideale ins Schwimmen geraten, wo die Welt um uns herum trostloser wird, da sagt unser Herz leidenschaftlich und unüberhörbar NEIN. Weil sich in uns alles dagegen sträubt, dass unsere Welt und unser Leben sinnlos ist. Wir möchten diesem Leben trauen und es gibt wirklich viele gute Gründe, dass auch zu tun. Denn nicht nur offensichtliche Unmenschlichkeit prägt den Alltag, sondern auch das Gegenteil. Die Liebe der Eltern zu ihren Kindern, die bereit ist, dafür eigene Bedürfnisse und Wünsche zurückzustellen. Die durchgehaltene Treue in einer Beziehung, die belastet und schwierig geworden ist.
Selbst mitten im absurden Schrecken der israelisch-palästinensischen Auseinander-setzungen gibt es kleine Wunder der Menschlichkeit. Ich denke an eine Initiative jüdischer und palästinensischer Eltern, deren Kinder dem Kreislauf von Gewalt und Terror zum Opfer gefallen sind. Sie suchen das Gespräch miteinander, um diesen Kreislauf zu durchbrechen. Es gibt immer zwei Möglichkeiten: entweder in Zorn und Feindschaft die andere Seite zu bekämpfen oder sich mit dem Hass nicht abzufinden und Brücken zu bauen.
Ganz egal ob Israeli oder Palästinenser, ob Russe oder Ukrainer: in ihrer allergrößten Mehrheit sind die Menschen wie wir. Die Eltern stehen nachts auf, wenn ihr Kind schreit und trösten es. Die jungen Leute verlieben sich, mit Herzklopfen und mit Liebeskummer. Sie studieren, machen ein Examen, bewähren sich im Beruf, mit all den Rückschlägen und Ängsten, aber auch mit all der Freude über das Gelingen. Sie trauern um ihre Toten und möchten ihr kleines Leben in Frieden leben – so wie wir.
Kleine Hoffnungszeichen in einer manchmal sehr vergifteten Atmosphäre. In unserer Welt ist nicht nur der dunkle Ungeist unterwegs, sondern auch diese starke Gegen-kraft Gottes, die Menschen bewegen und verändern kann. Gottes Geist weht dabei so, wie er will und dort, wo er will.
Das Gute ist oft nicht so spektakulär wie der Hass. Es lässt sich in den Medien auch nicht so gut vermarkten wie blindwütiger Terror. Aber das Gute, der lebendige Geist Gottes, bricht trotzdem immer wieder durch.
Amen.