Das Christkönigsfest, das wir heute feiern, ist ein sehr junges Fest. Und die Einführung dieses Festes war ein Politikum. Es wurde 1925 von Papst Pius XI. eingeführt und heißt vollständig „Hochfest unseres Herrn Jesus Christus, des Königs des Weltalls“.

Das Fest wurde eingeführt in einer Zeit, da die Macht der Kirche bröckelte, mehr noch aber weil nach dem Ersten Weltkrieg viele europäische Monarchien abgelöst wurden. Was an deren Stelle getreten war, bereitete den Katholiken große Sorge: Die Parteienlandschaft der Weimarer Republik zeigte sich hoffnungslos zersplittert, auf den Straßen der großen deutschen Städte herrschten Chaos und Gewalt. Und nicht nur im ehemaligen Zarenreich Russland erstarkten kommunistische und faschistische Kräfte, die Religion und Kirche grundsätzlich ablehnten. Mit der Einführung eines neuen Hochfestes wollte Pius die Katholiken an den Herrschaftsanspruch Jesu erinnern und ihnen auf diese Weise Hoffnung auf eine bessere Zukunft schenken. Er wollte der Welt und den Menschen zeigen, dass ein Herrscher auch anders sein kann als viele Herrscher der Welt, und dass die Triebfeder des Handelns nicht die Macht über, sondern die Liebe zu den Menschen sein soll.

Wie wichtig das Christkönigsfest nur ein Jahrzehnt später werden sollte, konnte Pius XI. nicht ahnen. In der Zeit des Nationalsozialismus entwickelte sich der Tag dieses Festes zu einem wichtigen Widerstandssymbol. Die katholische Jugendbewegung musste sich einen Ausweichtermin, für den damals noch begangenen sogenannten Jugendbekenntnistag suchen, weil der ursprüngliche Termin von den Nazis besetzt worden war. Sie wählte den Christkönigssonntag, damals noch Ende Oktober, dafür aus. Die Wahl dieses Termins sollte als Protest gegen den Nationalsozialismus verstanden werden. Die katholischen Jugendlichen verehrten Christus den König und nahmen nicht am Führerkult der Nationalsozialisten teil. Sie benutzten dazu auch Banner mit dem Christusmonogramm – ein eindeutiger Gegenpol zu den Hakenkreuzfahnen der Hitlerjugend. Es wurde zu einem Mutmachfest in schweren Zeiten. Bis in die 1960er Jahre hinein wurden diese Bekenntnissonntage der deutschen katholischen Jugend gefeiert.

Seit der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils wird Jesu Königswürde nun am 34. Sonntag im Jahreskreis gedacht, eine Woche vor dem ersten Advent. So endet das Kirchenjahr für alle Gläubigen mit einer optimistischen Note: Egal, wie schlimm es auf Erden auch zugeht, die Aussicht und die Hoffnung auf die Herrschaft des „guten Königs“ Jesus bleiben.

Und an noch etwas musste ich bei der Vorbereitung dieses Gottesdienstes zum Christkönigsfest denken: Im Januar hatten wir hier in unserem Pastoralen Raum eine Ausstellung mit diesen Königsfiguren des Diakons und Künstlers Ralf Knoblauch. Am Fest der Hll. Drei Könige wurden sie bei uns vorgestellt und blieben drei Wochen bei uns. Auch mit den Kommunionkinderfamilien haben wir in der Zeit die Ausstellung besucht und darin gearbeitet. Dabei ging es um das Thema „Taufe“. Wir alle sind getauft auf den Namen des Königs, den wir heute feiern. Darin zeigt sich: Wir alle haben von Gott her königliche Würde empfangen. Für ihn sind alle Menschen mit dieser königlichen Würde ausgestattet. Und wenn wir uns auf diesen König berufen, ja sogar selbst Könige und Königinnen sind, dann sollten wir in unserem Handeln Maß nehmen an dem, der als unser König für uns bis ans Kreuz gegangen ist.

Jesus bezieht seine königliche Würde nicht aus der Macht zu herrschen, sondern aus der Macht der Liebe. Er ist ein König, der sich wie ein Hirt um seine ihm Anvertrauten kümmert. Er ist einer, der die Grenzen allen Übels überwunden hat, selbst den Tod. Der sich über die Ängste und Nöte der Menschen erhoben hat, ohne selbst überheblich zu sein. Vielmehr sind Demut, Liebe, Standhaftigkeit und Echtheit in seinem Wirken und in seinem Sterben seine Markenzeichen. Er lädt uns ein, dass wir uns an seinem Beispiel ausrichten, ihm folgen, neuen Mut und Hoffnung gewinnen und andere Handlungsperspektiven entdecken.

Weil der Gottessohn am Kreuz gestorben und auferstanden ist und eine Herrschaft von Hoffnung und Zuversicht hat anbrechen lassen, wischt das bestehendes Unrecht und herrschende Not nicht einfach vom Tisch. Überhaupt nicht. Aber Gott schenkt uns, jedem und jeder Einzelnen, die Kraft aufzubrechen und zu handeln, weil sein Sohn selbst ganz neue, völlig alternative Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt hat. „Dann rette dich doch selbst“, sagt der eine Verbrecher zu Jesus. Und Jesus macht ihm klar, dass es genau darum nicht gehen kann, nur die eigene Haut zu retten. Es ist Gott, der rettet durch die Herrschaft der Liebe seines Sohnes. Und die soll von uns weitergetragen werden, damit die Welt erkennt:

Für Gott sind wir alle Königinnen und Könige. Und Christus ist der König, dem wir folgen! Amen!

Manfred Morfeld