Wir schalten das Radio oder den Fernseher an, wir hören oder sehen dass wir in einer völlig verstimmten Welt leben. Wo ist der Leitton, an dem sich alle orientieren? Wie soll das gehen wenn Egoismen, bis in die höchsten Ämter, das Miteinander zwischen Staaten bestimmen – aber auch innerhalb unserer Gesellschaft. Die Ordensschwester Kyrilla Spieker hat gesagt: „Heilige sind die Stimmgabeln in unserer verstimmten Welt.“

Dabei meinte sie nicht nur die offiziellen Heiligen der Kirche, sondern alle heilig-mäßig lebenden Menschen.

Über die offiziell Heiliggesprochenen, an die wir meist zuerst denken, wenn wir dieses Fest feiern, kann man sich manchmal wundern, ärgern oder schmunzeln, z.B. wenn man liest, dass ein frommer Italiener erst heilig gesprochen wurde, nachdem seine Verehrer das päpstliche Gericht mit 70 Pfund feinster Schokolade bestochen hatte. Das wäre natürlich heute undenkbar. Aber man kann sich schon darüber ärgern, dass oft Witwen, Jungfrauen und Ordensfrauen heilige gesprochen wurden, aber nur sehr selten Ehefrauen und Mütter. Wir können über die Tatsache schmunzeln, dass selbst noch Papst Johannes Paul II. einen Heiligen zum Patron der Fallschirmjäger ernannt hat, weil dieser in religiöser Verzückung gelegentlich von der Erde abhob und in der Kirche schwebte. Oder wir schmunzeln darüber, dass er den Erzengel Gabriel, der Maria die Botschaft Gottes überbrachte, zum Schutz-heiligen des Fernmeldewesens gemacht hat. Aber eigentlich muss uns das alles nicht großartig bewegen. Dass Heilige den Glauben und die Botschaft Jesu zum Klingen brachten, das ist unbestritten (Stimmgabel anschlagen!). Heilige – Stimmgabeln in einer verstimmten Welt. Drei Beispiele heiligmäßiger Menschen möchte ich Ihnen kurz vorstellen:

1940 wird Abbe Stock Gefängnisseelsorger für die deutsche Wehrmacht in Paris. Viele Gefangene misstrauten ihm und lehnten seinen Beistand ab, weil sie vermuteten, dass er nicht auf ihrer Seite steht. Die deutschen Wachen vor den Zellen der französischen Kriegsgefangenen nannten ihn den Himmelskomiker oder den schwarzen Raben. Hunderte musste er auf den Tod vorbereiten, zur Hinrichtung begleiten und alleine beerdigen. Abends versuchte er die Angehörigen zu trösten. Er wird sehr einsam, weil er mit niemanden über diese schweren Erlebnisse reden kann. Nach dem Einzug der Alliierten in Paris wird er selbst ein Gefangener. Sein Herz verkraftet das alles nicht mehr. 1948 stirbt er ganz allein im Alter von 44 Jahren.

Oder Dorothy Day. 1980 stirbt sie im Alter von 83 Jahren. Mit 30 Jahren wurde sie von ihrem geliebten Mann verlassen, da er als überzeugter Gottesleugner nicht damit leben konnte, dass sie und ihre kleine Tochter getauft wurden. Sie leidet zeitlebens an ihrer Kirche, die sich nicht spürbar auf die Seite der Armen stellt, zum Beispiel an die Seite der 13 Millionen Arbeitslosen, die 1933 in Amerika ums Über-leben kämpfen. Sie baut in New York Häuser der Freundschaft, in denen sozial Abgeschriebene, Trinker und Obdachlose Unterschlupf finden. 40 Jahre lang reist sie durch die USA und streitet für Frieden und Gerechtigkeit. Sechsmal sitzt sie deshalb im Gefängnis. Sie lebt das Evangelium: „Ich war obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen“ oder „Ich war gefangen, und ihr habt mich besucht“.

Hector Gallego, gerade 33 Jahre alt, wird 1971 aus der Hütte eines Freundes gelockt, verschleppt und gilt bis heute als vermisst. Vier Jahre vorher hat er seine Familie und Kolumbien verlassen, sein Heimatland, um in Panama als Seelsorger zu arbeiten. Ein Jahr später wird er Pfarrer in Santa Fe. Hier beherrschen mächtige Familiensippen die armen Kleinbauern, die Campesinos. Er stört mit seinem Einsatz für soziale Gerechtigkeit die heile Welt der Reichen. Er wird verprügelt, verhaftet, seine Hütte wird in Brand gesteckt. Er lebt die Botschaft Jesu vor: „Wer sein Leben verliert, wird es gewinnen.“

Noch viele Namen könnte ich nennen, zum Beispiel Rupert Mayer, der sich weder durch Gestapoverhöre noch durch Redeverbot davon abbringen ließ, in den Predigten ganz klar die Stimme des Evangeliums ertönen zu lassen – oder Franz Jägerstätter, Familienvater von drei Töchtern, der seinem Gewissen folgte uns sich 1943 eher enthaupten ließ als den Nazis zu gehorchen. Ihm war klar: Ich muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.

Danke, dass wir Heilige und heiligmäßige Menschen als Stimmgabeln Gottes haben. Schön wäre es: Unsere eigene Stimme käme hinzu!

Manfred Wacker