14. Sonntag im Jahreskreis

Die Corona-Pandemie hat es etwas in den Hintergrund treten lassen, aber: es herrscht in über zwanzig Ländern dieser Erde Krieg. UN-Generalsekretär Guterres hat schon im März alle Kriegsparteien in der Welt aufgerufen, die Kampfhandlungen einzustellen, schon, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Dieser Vorschlag wurde im Sicherheitsrat von den USA und China boykottiert. Die Länder, in denen Krieg herrscht waren schon ohne Corona instabil, d.h. einige Kriege könnten sich durch Corona verschlimmern oder neue Kriege hervorrufen. Länder, in denen Krieg herrscht, haben häufig ein schlechtes Gesundheitssystem und können ihre Bevölkerung nicht versorgen – weder die Verwundeten des Krieges, geschweige denn die an Corona Erkrankten.

In den Kriegsgebieten dieser Welt herrscht häufig großer Hunger und es kommen zurzeit weniger Hilfsorganisationen ins Land, um Lebensmittel zu verteilen. Auch der Terror macht in Corona-Zeiten keine Pause. Auch in diesen Wochen haben wir immer wieder Bilder von Attentaten sehen müssen, Zerstörung, Verwundete, Tote, angsterfüllte und von Leid und Trauer gezeichnete Menschengesichter. Israel annektiert Palästinensergebiete, China reißt sich nach und nach Hongkong unter den Nagel. In Europa werden Truppen abgezogen und umgesiedelt. Russland rückt näher an die NATO-Grenzen und die USA gehen weiter Richtung Russland.
Und wenn wir sehen, wer in der Welt so regiert, scheinen die Zeiten nicht rosiger zu werden…

Seit es Menschen gibt, gibt es Krieg. Man könnte schon den Streit zwischen Adam und Eva als einen ersten, kleinen Krieg bezeichnen. Und Kain und Abel machen weiter… Friede, das ist etwas, was sich der Mensch aufgespart zu haben scheint für ein Leben nach dem Tod. Friede, das ist etwas, was die Welt nicht geben zu können scheint…

Dagegen ruft nun der Prophet Sacharja seine Botschaft vom demütigen König in die Welt. Er schafft Recht, weil er in der Ordnung Gottes steht. Und das Größte, was man von ihm zu sagen weiß: „So spricht der Herr: Vernichtet werden die Waffen. Ich verkünde für die Völker den Frieden!“ Den Zeitgenossen des Sacharja muß das wie Hohn geklungen haben, sind sie doch von einem Krieg in den nächsten gestürzt worden. Frieden ist nicht selbstverständlich. Wir waren versucht, das zu meinen, nach fast 75 Jahren Frieden in Europa. Aber ein Blick auf die Ukraine und auf die Aufrüstung im Baltikum zeigt, wie nah man dem Krieg kommen kann.

Auch uns Christen ist die Vision vom Miteinander der Völker nicht angeboren. Wir Christen müssen uns immer wieder daran erinnern, was unser Herr gesagt hat: daß wir nämlich alle Kinder Gottes und damit Geschwister sind. Deswegen ist ein Ausdruck wie „Ausländer“ eigentlich keine christliche Vokabel. Das hatten die Väter des vereinten Europas verstanden. Die drei großen Gründer der Europäischen Gemeinschaft, der Italiener de Gasperi, der Franzose Schumann und der Deutsche Adenauer, waren überzeugte Christen, nebenbei: katholische Christen. Und vielleicht ist das Prädikat „katholisch“ in diesem Falle doch von einer gewissen Bedeutung, weil katholisch-Sein heißt, im weltkirchlichen Rahmen zu denken. Gezeichnet von einem schlimmen Krieg, den es nie wieder geben sollte, haben diese drei sich geschworen, ein Bündnis der Völker Europas zu schmieden. Motiviert dazu hat sie der christliche Glaube. Diese Vision neu zu schätzen und sie zu schützen ist eine unserer wichtigsten Aufgaben – um des lieben Friedens willen!

Mir ist vor einigen Monaten nach einer Messe hier in der Franziskuskirche eine ungehaltene Mail geschickt worden, in der man mich ermahnt hat, nicht politisch zu predigen, dass sei nicht meine Aufgabe. Ich glaube das allerdings schon! Christlicher Glaube hat immer auch politische Konsequenzen. Wir Christen müssen, gerade Corona lehrt uns das, viel deutlicher darauf hinweisen, daß nicht das Diktat des technischen und ökonomischen Nutzens regieren darf. Corona lehrt uns auch ganz neu, was Globalisierung heißen muss: Gerechtigkeit für alle und nicht Reichtum für wenige. Globalisierung muss vor allem eine Globalisierung des Verantwortungsbewußtseins sein.

Unser Standort als Christinnen und Christen muss die Welt sein – die große globale und die kleine private Welt. Und in beiden ist Frieden ein ständiger Auftrag an uns und keineswegs selbstverständlich.
Christen nennen das „Umkehr“ –
eine Ab-Kehr von der Konzentration auf uns selbst,
eine Ab-Kehr von der Habsucht, die in uns steckt,
eine Ab-Kehr von Rivalität und Neid und der sich daraus zwangsläufig ergebenden Gewalt.
„Umkehr“ ist eine Hin-Kehr zum Anderen,
ist Hin-Kehr zu Veränderung, zu Verständigung, zu Versöhnung,
ist Hin-Kehr zu Gewaltlosigkeit, zu einer Hoffnung gegen alle Hoffnung,
ist Hin-kehr zum Loslassen falscher Sicherheiten.

„Umkehr“ ist Hin-Kehr zur Liebe – Liebe zu Gott und dem Nächsten. Gott hat sich längst zu uns hingekehrt indem er seinen Sohn zu uns gesandt hat. Und weil Gott sich zu den Menschen hingekehrt hat, kann auch der Mensch sich zum Menschen hinkehren.

Zurzeit gehen wir Menschen wieder besonders aggressive Wege. Der Ton wird rauer, Gewalt gegen Polizisten und Sanitäter ist an der Tagesordnung. In vielen Bereichen wird Verständigung immer schwerer. Viele glauben Verschwörungstheorien, Wörter wie Manipulation, Propaganda, Fakenews sind gängig. Und ganz viele Streitigkeiten und Kriege führen Menschen, weil sie klären wollen, wer Gott ist: Schiiten und Sunniten, Juden und Araber, Muslime und Christen. Das ist leider schon immer so. Deswegen ist das Alte Testament in weiten Strecken Kriegsgeschichte und der Geschichte der Sehnsucht nach Frieden.

Aber im Alten Testament ist nicht der starke, politisch erfolgreiche König David der Garant für Frieden, sondern der Gottesknecht, von dem wir am Karfreitag hören. Der Gottesknecht ist zerschlagen von der Gewalt der Menschen und gezeichnet von der Krankheit der gefallenen Welt. Friedensgarant ist also einer, der sich selbst nicht ständig absichert und festhält, sondern der sich einlassen kann auf die Menschen. Für uns Christen ist es der, der in befreiender Liebe am Kreuz sterbend der Arme ausbreitet: Jesus Christus. Seit Christus in die Welt gekommen ist, ist Sehnsucht nach Frieden schon beginnender Friede.

Seit Christus in die Welt gekommen ist, ist Sehnsucht nach erfülltem Leben sich schon erfüllendes Leben – dann, wenn der Mensch umkehrt, sich versöhnt und sich, wie dieser Christus, selbst loslassen kann.

„Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffe.“
Das ist die Haltung, zu der Christus uns frei machen will: anderen Ruhe verschaffen, anderen Lasten abnehmen. Das hat Christus uns vorgelebt. Immer stand er auf Seiten derer, für die das Leben eine Last war. Und er kam auf einem Lasttier, nicht in großer Pose, nicht auf prächtigem Pferd oder gar im Streitwagen. „…er ist demütig und reitet auf einem Esel.“, hat es in der Lesung geheißen.

Das heißt für uns: selbst zum Esel zu werden, auf dem Christus zu den Menschen kommen kann, ganz unscheinbar und bescheiden. Der heutige Sonntag fordert uns auf, zu Friedensboten zu werden, indem wir uns zu Reittieren Christi machen. Durch uns will er zu den Menschen kommen und Frieden stiften. Das, was Christus über den Palmsonntagsesel gesagt hat, das gilt von jedem und jeder von uns: „Bindet ihn los, der Herr braucht ihn!“