Predigt 2. Sonntag im Jahreskreis C 2022

Schwestern und Brüder,

vieles in unserem Leben ist eingestellt auf Zahl, Maß und Gewicht. Das, was wir berechnen können, das ist für uns wirklich und wahr. Sicherlich haben wir Menschen mit dem, was wir berechnet und errechnet haben, große Fortschritte gemacht – aber die ganze Wirklichkeit haben wir damit nicht erreicht, höchstens den Vordergrund, hinter dem sich die eigentlich Tiefe verbirgt. Wir sind durch das, was wir errechnen und  berechnen können, nicht unbedingt glücklicher, nicht menschlicher geworden…

Auch unser Glaube lässt sich nicht nur mit dem Kopf erfassen, schon gar nicht mit mathematischen Formeln darstellen. Unser Glaube wird in seiner Tiefe nur zugänglich in Bildern, die sein Unsagbares, sein Geheimnis deuten. Wir brauchen Bilder, in denen der Glaube zu uns spricht. Solche Bilder finden wir in unserem heutigen Evangelium.

Ein erstes Bild ist das Bild vom Heilwerden. Wir alle möchten heile sein. Der Evangelist Johannes erzählt uns ein Wunder. Mitten in der berechenbaren, zählbaren, wägbaren Welt geschieht etwas, was alles Berechnen, Zählen und Wiegen hinter sich lässt.

Dieses Wunder ist mehr als die vordergründige Befreiung des Bräutigams aus einer peinlichen Verlegenheit. Dieses Wunder ist, wie alle Wunder Jesu, ein Bild für das endgültige Heilwerden des Menschen bei Gott.

Die Zukunft, in die der Glaube uns einlädt, ist eine Zukunft der Fülle, die allen Mangel hinter sich lässt. In diesem Kana-Wunder beginnt schon die Vollendung, die wir uns erträumen und ersehnen, von der wir aber wissen, daß wir sie nicht machen können. Es ist das Heil, die Vollendung, die wir nur aus der Hand eines anderen geschenkt bekommen können. Da wird es keine Störfaktoren mehr geben, nichts Böses, keinen Tod! Es ist endlich Heile sein, in der die Liebe so selbstverständlich ist, wie die Luft, die wir atmen.

Ein weiteres Bild ist das Bild vom Hochzeitsmahl. Jesus hat das Reich Gottes öfters mit einem Hochzeitsmahl verglichen, das Gott am Ende ausrichten wird. Die nie endende Gemeinschaft mit Gott wird dann gefeiert. Gott selbst ist dann der Gastgeber, der zu Tisch bittet. Alle sind dann eingeladen, wie immer auch ihre Lebensgeschichte war.

Wen wir an den Tisch in unseren Wohnungen bitten, dem signalisieren wir Vertrauen, Gemeinschaft und Liebe. Und genau das – Vertrauen, Gemeinschaft und Liebe – bezeugt uns Gott beim Hochzeitsmahl.

Und in der Feier der Eucharistie, die wir jetzt miteinander feiern, ist dieses Hochzeitsmahl  vorgebildet.

Der lateinamerikanische Dichter-Priester Ernesto Cardenal hat das in dem Vers, den wir gleich im Hochgebet singen, so ausgedrückt: „Wir sind noch nicht im Festsaal angelangt, aber wir sind eingeladen. Wir sehen schon die Lichter und hören die Musik.“ So, wie jetzt wird es dann sein, nur unüberbietbar viel schöner! In dieser Feier können wir unsere Hoffnung stärken, von dieser Feier aus auch Hoffnung weitertragen in eine oft trostlose Welt.

Und ein drittes Bild begegnet uns im Evangelium: das Bild der Verwandlung. Die Verwandlung ist ein Grundbild unseres Lebens. Keiner möchte so bleiben wie er ist – am wenigsten die, die behaupten, sie seien so wie sie sind zufrieden. Der alte Mensch soll vergehen und der neue Mensch soll aus uns werden. Und das geschieht nur dann, wenn uns einer liebt. Durch den Kuss der Liebe wird aus dem Frosch der Prinz. Der Feige soll sich in einen Mutigen wandeln, der Träge in einen Eifrigen, der in Egoismus Erkaltete in einen vor Liebe Glühenden, der in Gewohnheiten Erstarrte in einen, der mit ganzem Herzen dabei ist, so als wäre er frisch verliebt…

So können wir uns wandeln durch die Liebe Gottes, durch das, was Gott uns gibt, dann, wenn wir offenen Herzen teilnehmen am Sakrament der Wandlung, da, wo die Gaben von Brot und Wein sich wandeln in Leib und Blut Christi, die Zeichen seiner Liebe und Hingabe für die Rettung der Welt.

Schwestern und Brüder,

das ist das Wunder das Gott an uns wirken will: daß auch wir uns einsetzen, verschenken, hingeben. In unserem stressigen oder dahintrottenden Alltag suchen wir nach Stille, nach Ruhe, nach innerem Halt. In den drei Bildern, die uns im heutigen Evangelium begegnen – Heilwerden, Hochzeitsmahl und Verwandlung – finden wir das. Diese Bilder kommen aus der Tiefe der menschlichen Seele und wollen uns in die Tiefe führen, dahin, wo Gott auf uns wartet, um uns zu beruhigen und uns zu uns selbst zu bringen, um uns ganz an ihm festzumachen, dem Geber alles Guten.

AMEN.

Stefan Wallek