Predigt am 29.Sonntag im Jahreskreis B

Gerade in diesen Tagen und Wochen nach der Wahl kann man es wieder beobachten, das Gerangel der Politiker um die Macht. Im besten Fall könnte man ihnen unterstellen, sie tun es, weil sie sich für das Wohl der Menschen einsetzen wollen. Das wäre schön, ist aber wohl nicht nur zum Teil so, denn der Antrieb der Herrscher und Mächtigen ist oft, die Macht zu erhalten, zu erlangen oder auszuweiten: Ich will groß sein – und es bleiben. So geschieht es auch vielfach in der Kirche. Bestes Beispiel derzeit: der Kölner Kardinal Woelki. Dagegen setzt Jesus heute im Evangelium: „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.“

Manche Jesus-Worte haben wir schon so oft gehört, dass wir die Sprengkraft, die in ihnen liegt, gar nicht mehr wirklich erkennen. So ergeht es uns vermutlich auch bei diesen Worten. Wir kennen sie sehr gut: Und weil wir sie so gut kennen, hören wir darüber hinweg und gehen wieder zur Tagesordnung über.

Doch schauen wir da doch mal etwas genauer hin: Jesus lebte wie wir in einer Gesellschaft, die geprägt war von Herrschaft, Macht und Reichtum. Zur Zeit Jesu war es so, dass zwei Prozent der Bevölkerung die Hälfte des Reichtums kontrollierten. Das reichste Prozent der heutigen Weltbevölkerung besitzt nahezu 44 Prozent des Vermögens. Es hat sich also nicht viel verändert. Damals wie heute verteilen sich Reichtum und damit einhergehend die Macht sehr ungleich. Wer in dieser Welt groß sein will, der muss viel haben und kann damit viel oder fast alles erreichen – siehe Donald Trump. Nur nicht immer zum Wohle anderer!

In diese erdrückende, himmelschreiende Ungerechtigkeit seiner und unserer Zeit hinein erzählt Jesus seine große Vision vom „Reich Gottes“. Darin werden die Verhältnisse und das Denken auf den Kopf gestellt. Dem Denken in Kategorien des Herrschens und des Beherrschens, der Macht und des Strebens nach Reichtum stellt Jesus eine Logik und ein Denken der Liebe entgegen. Wer in Jesu Welt wirklich groß sein will, der kann das nur, wenn er oder sie zum Dienst der Liebe für und an anderen bereit ist.

Jesus hat folgerichtig sein ganzes Leben in den Dienst der Liebe gestellt und auf die Kraft dieser Liebe gesetzt und vertraut. Dass das den Mächtigen nicht gefallen würde, hat er gewusst und letztendlich auch zu spüren bekommen. Doch er hat sich immer aufgehoben, getragen und gestärkt gewusst von der größeren Liebe Gottes, die auch den Tod überdauert. Und weil diese Botschaft der Liebe die Sehnsucht von Menschen auch noch 2000 Jahre später berührt, wird sie noch immer weitererzählt.

Es liegt an uns, ob diese Sehnsucht an ihr Ziel kommt. Wir können heute im Kleinen damit beginnen, von der Logik des Herrschens zur Logik des Dienens, von der Logik der Macht zur Logik der Liebe zu wechseln. Wir können schon heute damit beginnen, eine ganz andere Welt zu denken, eine Welt, in der Menschen einander in Liebe begegnen, einander dienen und dienlich sind nach dem Motto: Wer unter euch groß sein will…“. Eine Welt, in der wir nicht auf Kosten anderer leben, sondern so leben, dass alle aufleben können. Eine Welt, in der es nicht zuerst darum geht, die eigene Macht zu erhalten um jeden Preis oder andere spüren zu lassen, wer der Herr im Haus ist, sondern anderen geben, was sie nötig haben zum Leben.

Das heutige Evangelium ist leicht zu verstehen, aber schwer einzuhalten und zu leben. Nicht die Gier nach den ersten Plätzen, nicht das Streben nach Macht über andere und nach Einfluss soll die Jünger Jesu, soll seine Kirche beherrschen und antreiben, sondern das Dienen soll ihr Handeln bestimmen, denn wie sagte der ehemalige Bischof von Paris: Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts. Dienen wir also, ändern wir unser Denken und Streben, wo es nötig ist, und machen wir damit eine andere Welt möglich.

Amen!

Manfred Morfeld