Heute ist das Hochfest des Weihetages der Lateranbasilika.
Was für ein komisches Fest, oder?
Im ersten Moment denkt man ja: Was hat das mit mir zu tun? Warum sollen wir feiern, dass in Rom eine Kirche geweiht wurde?

Aber: So wie die Lateranbasilika nicht irgendeine Kirche ist, die Schrifttexte heute nicht zufällig gewählt sind und auch der heilige Franziskus zu diesem Fest passt, so betrifft dieses Fest sogar die Existenz eines jeden Einzelnen von uns hier. Das möchte ich gerne darlegen. Und Sie werden merken: Dieses Fest hat alles, wovon mein Herz voll ist.

  1. Wir starten mit Paulus

„Ihr seid der Tempel des Herrn!“
Das ist die Grundaussage – und die Brille, mit der wir dieses Fest betrachten müssen. Jeder Einzelne von uns, jeder, der hier gerade sitzt, ist und kann ein Tempel des Herrn sein.

Im Tempel – so die Vorstellung – möchten Menschen Gott begegnen, möchten sie Gott nahe sein. Ein Tempel ist ein Ort der Gottesnähe.
Und wenn wir im Glauben an diesen Gott, der allen Menschen nahe sein will, uns den Menschen zuwenden, dann will Gott durch uns wirken.
Dort, wo wir uns liebevoll Menschen zuwenden, wo wir helfen, Liebe verschenken, Gutes tun und sehen, da will Gott in uns sein. Da werden wir zum Tempel des Herrn.

Und was dann in diesem Tempel vor sich geht, ist schon seit dem Alten Testament bekannt. Dort schreibt der Prophet Hosea:

„Liebe will ich, nicht Schlachtopfer, Gotteserkenntnis statt Brandopfer.“ (Hos 6,6)

Dort, wo ein jeder von uns liebt, sind wir Tempel des Herrn.

  1. „Macht das Haus meines Vaters nicht zur Markthalle!“

Jesus sieht, was aus dem Tempel geworden ist.
Nun müssen Sie wissen, dass der Tempel in Jerusalem zur damaligen Zeit nicht nur das religiöse, sondern auch das politische und ökonomische Zentrum Israels war.

Da fromme Juden zur Wallfahrt verpflichtet waren, lebte die Stadt vom „Tourismus“: Hotels, Gaststätten, Händler – und der Tempel.
Im Tempel versammelten sich die Eliten, die die ökonomischen Ströme bündelten und sie auch politisch nutzten.

Und damals wie heute wird oft alles ökonomischen Zwängen und Entscheidungen untergeordnet.
Kennen wir das nicht auch? Unsere heutige Politik fragt oft nicht, ob etwas sinnvoll, nachhaltig oder verantwortungsvoll für die folgenden Generationen ist, sondern nur, ob etwas finanzierbar ist.
Und kennen wir nicht auch das Dilemma zwischen „Geld haben müssen“ und dafür andere Werte hintanzustellen?

Die Tempelreinigung ist weniger ein Text, der auf den konkreten Tempel in Jerusalem schaut – wie es Jesus ja selbst andeutet –, sondern einer, der danach fragt, was meinem Leben Ziel und Richtung gibt.
Und er warnt davor, unseren Leib und unser Herz dem Mammon zu verkaufen!

  1. Die Lateranbasilika

Die Lateranbasilika ist die ranghöchste Kirche des Christentums. Es ist nicht der Petersdom – der ist nur eine „Gedächtniskirche“ über dem Grab des Apostels Petrus.

Die Lateranbasilika ist die Bischofskirche von Rom, und der Papst ist ja zuerst der Bischof von Rom – und damit primus inter pares, der Erste unter Gleichen.
In ihr werden die Häupter von Petrus und Paulus aufbewahrt, und sie trägt den Titel:
„Mutter und Haupt aller Kirchen der Stadt und des Erdkreises“
(Mater et Caput Omnium Ecclesiarum Urbis et Orbis).

Eines der schönsten Zeichen in dieser Kirche ist – passend zu den Schrifttexten –, dass die 130 m lange, fünfschiffige Basilika durch zwölf massive Pfeiler gestützt wird. Diese Pfeiler tragen 4,25 m hohe Apostelstatuen.

Und die Aussage ist klar:
Die Kirche Jesu Christi ist nicht groß und gewaltig, weil sie aus Stein gebaut ist.
Die Kirche Jesu Christi besteht und lebt, weil Menschen sie tragen.

Es sind Menschen gewesen, die das Wort Jesu aufgenommen haben, seine Botschaft und sein Handeln in die Welt trugen – und damit Tempel des Herrn wurden.
Die tragenden Säulen der Kirche sind Menschen, die Jesus nachfolgen.
Ohne sie würde die Kirche, würde der Tempel des Herrn, zusammenbrechen.

  1. Du bist Tempel des Herrn

Die Lateranbasilika zeigt, dass die Kirche aus Menschen besteht und von diesen getragen wird.
Jesus legte den Aposteln die Hände auf. Die Apostel legten wiederum ihren Nachfolgern die Hände auf – diese Nachfolger wurden die Bischöfe.
Von Jesus an, über die Apostel bis zu den Bischöfen heute, wird diese Handauflegungskette weitergetragen.

Und jeder, der hier gefirmt wurde, dem wurde ebenfalls die Hand aufgelegt und zugesprochen:

„Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist.“

Ich übersetze:
Der Geist Gottes soll in dir wohnen! Du bist ein Tempel Gottes!
Du bist eine tragende Säule der Kirche Jesu Christi.

  1. Der heilige Franziskus

Heilige können uns Vorbilder darin sein, wie man ein Tempel des Herrn sein kann.
Der heilige Franziskus ist vielleicht ein besonders passendes Beispiel für diesen Tag.

Als Sohn eines reichen Tuchhändlers und Angehöriger der Oberschicht in Assisi fragt er sich neu, was seinem Leben Richtung geben kann.
Er entscheidet sich gegen Geld, gegen Geschäft und gegen Macht – und wandte sich den Armen und Kranken zu.

Er vollzieht buchstäblich das, was Jesus in der Tempelreinigung tat – und was uns Paulus im übertragenen Sinne sagt.

Der Legende nach sprach Christus vom Kreuz zu Franziskus:

„Geh und bau meine Kirche wieder auf!“

Damit kann ganz konkret die kleine Kapelle, die Portiuncula, gemeint gewesen sein, die Franziskus zu Beginn seines Wirkens mit eigenen Händen wieder aufbaute.
Aber eigentlich meinte Christus die Erneuerung der Kirche, die sich im 12. und 13. Jahrhundert in Prunk, Macht und Reichtum verloren hatte.
Es gab zwar steinerne Kirchen, aber eine lebendige Gottesbegegnung geschah dort kaum.

Franziskus lebte die Christusbeziehung – und damit die Gegenwart Gottes im eigenen Leib – neu.
Deshalb spricht man ja auch davon, dass er die Stigmata trug.

  1. Die Botschaft an uns

Du bist Tempel des Herrn!
Gott will in und durch dich leben!

Kirche wird hier vor Ort sein, auch wenn dieses Gebäude einmal nicht mehr stehen sollte. Denn der Tempel Gottes bist du.

Der Keim der Liebe Gottes in dir ist das Opfer, das Gott gefällt.
Und wenn du von dieser Liebe deinen Nächsten, deinen Liebsten oder deinen Kindern etwas einpflanzt,
dann werden auch sie Tempel des Herrn –
und Kirche geht weiter.