Die Mitte der Sommerferien ist bereits überschritten, und die Urlaubssaison ist in vollem Gange. Urlaube sind immer besondere Zeiten, die oft neue Erfahrungen mit sich bringen – Erfahrungen, die uns verändern können. Nach solchen Eindrücken kehren wir nie ganz zu der Person zurück, die wir zuvor waren. Etwas Neues ist hinzugekommen. Ich habe eine Entscheidung getroffen: Wie will ich mich zu diesem Neuen verhalten?
Neue Erfahrungen und auch Einschränkungen schenken uns die Möglichkeit, zu wachsen, zu lernen und uns weiterzuentwickeln. Und es ist eines der schönsten Dinge der Welt, diese Erfahrungen – und die Veränderungen, die sie in uns bewirken – mit anderen zu teilen. Die Menschen, die mich in all meinen Veränderungen begleiten, sind diejenigen, die mich wirklich lieben. Denn was bedeutet Liebe eigentlich?
Eine existentielle Frage, die Liebe beantworten soll, lautet: „Wer bin ich?“
Doch Menschen können einander höchstens Antworten zu einzelnen Teilaspekten der Identität geben – niemals aber in Worten ausdrücken, was der andere in seiner Ganzheit ist. Zudem bergen Aussagen wie „Du bist meine fröhliche Stütze“ oft einen unausgesprochenen Auftrag: Sei nicht schwach! Wird dieser Auftrag nicht erfüllt, entsteht Enttäuschung.
In allen Fragen, die die personale Identität betreffen, sind Partner und Freunde letztlich überfordert. Denn indem wir einander festlegen, definieren wir uns – und damit begrenzen wir uns. Wer aber einem anderen eine Grenze setzt, nimmt ihm ein Stück Zukunft.
Die nächste existentielle Frage der Liebe lautet: „Gibst du mir Zukunft?“
Diese Frage überfordert den Menschen noch mehr – denn Liebe will nicht einschränken, sondern freigeben. Liebe will Zukunft schenken. Sie fragt, ob das Gegenüber zu allen Entwicklungen stehen wird, die der andere durchmachen wird – auch zu denen, die beide noch nicht einmal erahnen können. Kann ein Mensch einen anderen wirklich so sehr freigeben, dass er dessen Zukunft wachsen lässt und sich selbst so weit zurücknimmt, dass der andere ganz seinen Raum entfalten kann?
Wie schön ist es, wenn wir solche Menschen um uns haben!
Und einer, der immer um uns ist und zu einer solchen Liebe fähig ist, ist Gott.
Gott trägt diese Liebe und nennt sie Bund. Diesen Bund müssen wir nicht aus eigener Kraft herstellen – Gott selbst sagt ohne Bedingungen Ja zu uns. Das befreit uns von der Angst, den anderen durch unsere eigene Entwicklung zu enttäuschen oder unsere gemeinsame Zukunft zu gefährden. Wir dürfen vertrauen auf den, der die Zukunft in seinen Händen hält – und der alles dafür tut, dass es immer eine gemeinsame Zukunft bleibt.
Stefan Kaiser