In einem Song aus seinen frühen Jahren beschreibt der Liedermacher Reinhard Mey die Entdeckung des ersten grauen Haares auf seinem Kopf. Für ihn ist es der Abschied von seiner Jugend. Und damit deutet er an, dass jeder Abschied immer schon ein Hinweis auf das Sterben eines Menschen ist.

Und in einem menschlichen Leben sind wir immer wieder mit Abschieden konfrontiert. Das kleine Kind verabschiedet sich von den Eltern, wenn es morgens in den Kindergarten gebracht wird. Und manchem Kind fällt das sehr schwer. Eltern müssen ihr erwachsenes Kind verabschieden, wenn es zum Studium das Elternhaus verlässt.

Eine Liebesbeziehung geht in die Brüche, und oft bleibt großer Abschiedsschmerz zurück. Die Schweizer Psychotherapeutin Verena Kast hat es so ausgedrückt, dass wir Menschen „abschiedlich leben“. Und das erste graue Haar deutet an, dass dieser Kopf eines Tages wohl ganz kahl sein wird. Dahinter steckt die Erfahrung, dass wir nichts im Leben für immer festhalten können: Das letzte Hemd hat keine Taschen.

Und ich glaube, Reinhard Mey hat recht, wenn er singt, dass jedes Abschiednehmen ein Stück Sterben heißt. Einübung in das Sterben ist deshalb eine Gnade, wenn ich das Sterben als einen Teil des Lebens deute. Franziskus von Assisi hat das genial ausgedrückt, wenn er den Tod als ‚Bruder Tod‘ annimmt. Im Zyklus des Sonnengesangs in den Kirchenfenstern des Franziskus-Zentrums ist die Darstellung von Bruder Tod das einzige Segment, das ganz in hellem Weiß dargestellt ist.

Die Abschiede aus dem aktiven Dienst von gleich vier pastoralen Mitarbeitern, die wir zur Zeit erleben, sind vielleicht auch „ein wenig Sterben“. Abschiede sind oft mit Schmerzen, Trauer und Tränen verbunden – für alle Beteiligten. Sie sagen mir, dass ich nichts im Leben auf Dauer festhalten kann und es mir leichter fällt, wenn ich „abschiedlich“ lebe.

Und so trennen wir uns von Aufgaben, von Gegenständen, von Terminen, von Herausforderungen, auch von Menschen – von vielem mit großer Dankbarkeit. Das ist in den letzten Monaten sehr deutlich geworden.

Jeder Abschied ist für uns aber mit einem Neuaufbruch verbunden: Zeit zum Ausschlafen; Gelegenheit zum Reisen an Ziele, wo man immer schon mal hinwollte; Zeit für die Familie, besonders für die Enkel; die Möglichkeit, sich mit ganz neuen Themen zu beschäftigen. In jedem Abschied stecken neue Möglichkeiten und Chancen.

Und so können wir den Abschied dankbar feiern: oder um mit Reinhard Mey und seinem ersten grauen Haar zu sprechen: „Wenn es sein muss, dann sei mir eben herzlich willkommen auf meinem Kopf.“