5. Sonntag im Jahreskreis C, 5./6. 2. 2022
Vergeblich, wer von uns kennt das nicht, die Erfahrung, dass alle Anstrengung vergeblich ist?
- Da jetten alle Baerbocks und Bidens dieser Erde durch die ganze Weltgeschichte und können doch den Konflikt an der ukrainischen Grenze nicht lösen.
- Da bemühen sich die Ärzte um das Leben eines krebskranken jungen Patienten und könne ihm letztlich doch nicht helfen.
- Da lassen wir uns impfen, lassen uns testen, tragen Masken, verzichten auf volle Stadien und private Geburtstagsfeiern und können doch die Pandemie nicht so einfach besiegen.
- Da boykottieren Politiker die Olympischen Spiele in China und Menschenrechtsorganisationen werden laut und deutlich, doch kein einziges Straflager wird aufgelöst.
- Da gibt es in unserer Kirche in Deutschland den Synodalen Weg mit vielen Ideen, mit vielen motivierten Menschen – und doch verlieren viele Menschen das Vertrauen in die Kirche und kehren ihr den Rücken.
Vergeblich ist da Mühen – lateinisch ‚frustra‘ frustrierend ist so manche Lebenssituation. Und Frustration lähmt, lässt resignieren. Manche Menschen verlieren den Lebensmut, werden depressiv. Manche radikalisieren sich. Andere ziehen sich zurück und sagen: Ihr könnt mich alle mal…
Ähnlich frustriert erleben wir den Berufsfischer Petrus. Er kommt von seiner Schicht zurück und hat nichts erreicht: „wir die ganze Nacht malocht und nix im Netz.“ Unsere heilige Schrift kennt solche Situationen, es ist nicht nur Petrus, der mit leeren Händen dasteht. Viele Propheten müssen damit leben, dass sie nicht gehört werden und mit ihrer Botschaft ins Leere laufen oder angefeindet werden. Die Liedermacher Israels singen in vielen ihrer Psalmen von ihrer Not und ihrem Frust.
Und weil die Stimmung in unserer Kirche augenblicklich auch so frustrierend ist aufgrund der Missbrauchsskandale und der immer noch geringen Bereitschaft zu Veränderungen und Reformen, deshalb äußern auch immer mehr Menschen, die bisher fest in der Kirche stehen: sie spielten mit dem Gedanken auszutreten; sie wollen sich zurückziehen; sie hätten die Schnauze voll. Mich bewegt das sehr und die Frage Jesu an seine Jünger ist nicht weit: Willst auch du gehen?
Da braucht es immer wieder eine heftige Motivation, um weiterzumachen. Für Petrus ist es die persönliche Ansprache durch Jesus: Du schaffst das! Das ist das Zauberwort. Es verändert die Stimmung und gibt wieder eine Perspektive für den nächsten Schritt. Es trägt dazu bei, dass die Stimmung wieder aufgehellt wird. Es hat zur Folge, dass Petrus wieder handeln kann. Es braucht diese Vitamine, damit er wieder ins Boot steigt. Wenn ist an meine vielen Jahre im Dienst denke, dann hat es auch immer wieder Situationen gegeben, wo ich etwa mit einem Gottesdienst dran war, aber kaputt und müde war oder überhaupt nicht in der Stimmung dazu war. Manchmal waren es dann ein paar Wortfetzten in der Sakristei oder ein paar Takte der Musik, die bei mir dann die Veränderung bewirkt haben: ja, wenn da so ist, dann will ich auch! Und wenn ich irgendwann einmal meine Biographie schreiben sollte, dann würde ich ein Bekehrungserlebnis dahineinschreiben, das viele Jahre her ist. Ich musste in einer kleinen Dorfgemeinde zum Sonntagsgottesdienst Vertretung. Dazu musste ich weit fahren, ich kannte niemanden dort und war auch zeitlich ziemlich unter Druck. Meine Motivation war gleich Null. Aber dann die Begrüßung in der Sakristei und ein kurzes Gespräch vor dem Gottesdienst war so stark, dass dieser Gottesdienst einer der eindrucksvollsten war, die ich je gefeiert habe und an den ich mich bis heute gern erinnere. So stark war diese Motivation.
Je stärker der Frust, um so lebendiger und ehrlicher muss auch die Motivation sein, die wir einander gönnen.
Reinhard Bürger