Ansprache am Sonntag, 8. November 2020

In den Gottesdiensten an diesem Wochenende erinnern wir uns an den Heiligen Martin. Der römische Soldat Martin, der damals kurzerhand seinen Mantel in zwei Hälften geschnitten und ein Teil dem Frierenden am Straßenrand gegeben hat. Er gab nicht alles, aber er teilte.

Wir teilen in diesem Jahr wieder mit den Gästen, die zum Jordan-Treff kommen und dort mit Frühstück versorgt werden.

Wir bemühen uns zu teilen und dann kommt uns heute der Evangelist Matthäus mit der Geschichte von den klugen und den törichten Jungfrauen.

Da könnte ich mich aufregen, wie mit den armen törichten Jungfrauen umgegangen wird.

Die waren halt nicht so gut vorbereitet, aber als sie dann doch noch Öl gekauft hatten, hätte man sie da nicht einlassen können? Wie unbarmherzig…– ein richtiger Hardliner ist er, dieser Matthäus.

Was haben denn der Gedanken des Teilens und das heutige Evangelium miteinander zu tun? Bei der Vorbereitung auf diesen Gottesdienst war ich versucht einen anderen Evangelientext zu suchen, einen der “besser passt” – der mir besser passt. Aber dann habe ich mich doch anders entschieden. Warum?

Und dann kommt mir da noch ein anderer Gedanke: “…die klugen Jungfrauen aber nahmen mit ihren Lampen noch Öl in Krügen mit”. Ich sehe das als Appell, als Mahnung von Matthäus, “meine Lampe” gar nicht erst ausgehen zu lassen. In diesem Gleichnis ist die Rede davon, dass ich auf meine Reserven achten soll, dass ich schauen soll, wieweit und wofür meine Energie reicht, ob ich gut vorbereitet bin.

Auch wenn ich im Ruhestand bin, es ist immer eine Menge los, da wo ich mich engagiere. Es macht vieles sehr viel Spaß, es gibt aber auch Dinge, die mir große Sorgen machen, in der Summe ist das alles viel. Und Corona macht manches doppelt schwer und verdoppelt die Arbeit – und dabei bin ich gar nicht “systemrelevant” und mir geht es gut.

Meine Taktik ist im Moment: Ich reduziere das, was ich selbst einschränken kann. Zum Beispiel höre ich kein Radio mehr während ich koche – wie früher: meist einen Info-Kanal. Sonst habe ich immer die neuesten Informationen noch mitgenommen und wollte auf dem Laufenden bleiben. Jetzt koche ich einfach und versuche ganz bei der Sache zu sein.

Manchmal sitze ich einfach auch nur so da und tue nichts… versuche ruhig zu werden und die Dinge, die sich ereignet haben, nachklingen zu lassen. Das tut mir gut und das ist es, was ich vom heutigen Evangelium, vom “Hardliner Matthäus” verstanden habe. “Auf seine Ressourcen zu achten?”

Seine “Richtschnur” für’s Leben ist für mich gerade: Marianne, nimm auch Öl in Krügen mit! Vergiss deine Reserven nicht, fülle deine Reserven immer wieder auf.

Und eine zweite Linie zeigt mir der Evangelist Matthäus durch dieses Gleichnis von den zehn Jungfrauen. Es steht in einer Reihe von Mahnungen und Gleichnissen, die die “Endzeit” beschreiben, auch die “endzeitliche Rede” Jesu bei Matthäus genannt. Ich erlaube mir, diese “endzeitliche Rede” umzudeuten und sie “Entscheidungs-Rede” zu nennen. Wir erwarten ja kein baldiges Ende, in dem Christus in Kürze schon Gericht hält. Bedeutsam wird es aber, wenn es um meine Entschiedenheit geht. Wenn das Gleichnis von den zehn Jungfrauen mich fragt: „Bin ich im Alltag entschieden, im Sinne meines christlichen Glaubens gut zu handeln?“

Es geht nicht darum, sich für alles zu engagieren und in tausend Projekten zu verzetteln und für nichts richtig Zeit zu haben. Aber da wo ich meine Talente leicht einsetzen und mit anderen teilen kann und gerne helfe, will ich als Christ zur Stelle sein.

Wie zum Beispiel unsere gemeinsame Aktion für die Menschen im Jordan-Treff.

Eine Frau setzt ihr Geschick im Stricken ein. Seit über einem halben Jahr nutzt sie die “Mehr Zeit”, die sie durch die eingeschränkten Kontakte durch Corona hat, um für die Gäste im Jordan Treff Strümpfe zu stricken. Zu Nikolaus bekommen alle die Strümpfe gefüllt mit guten Sachen, die sie sich sonst nicht leisten können.

Viele von ihnen haben beim Wochenendeinkauf nicht nur für sich eingekauft, sondern auch für das Frühstück, der Menschen, die unsere Hilfe brauchen.

“Sei. Gut. Mensch!” lautet die Kampagne der Caritas in diesem Jahr – wie immer mit tollen Plakaten.

Ja, ich bin bereit ein “Gut-Mensch” zu sein. Ich bin bereit, wachsam durch meinen Alltag zu gehen und mich rufen zu lassen von der Not anderer.

Das ist für mich die zweite Richtschnur, die zweite Linie aus dem heutigen Evangelium.

Darum scheint es Matthäus in seinem Gleichnis von den zehn Jungfrauen zu gehen, welches wir nur bei ihm finden.

Und es geht nicht darum, alles von uns zu fordern und uns zu überfordern. Nein, die Jungfrauen werden nicht dafür gescholten, dass sie eingeschlafen sind und sich ausruhen mussten. Das darf und muss passieren, damit wir bei Kräften bleiben. Dem Evangelisten mit den “harten Linien” geht es um Entschiedenheit in der Sache und darum, dass wir vorbereitet sind. Die Welt braucht uns Christen und braucht “Gut-Menschen!” Heute mehr denn je!

Ich würde dem Evangelisten Matthäus – oder sogar Jesus? – einen Satz in den Mund legen – und ich danke ihm, dem “Hardliner”, für diese klare Linie: “Tue alles (gern auch mit anderen), was dem Leben dient, und achte auf dich selbst!” Amen