Viele waren in den letzten Wochen verreist – vielleicht der ein oder andere auch nach Nordfriesland. Wenn ja, dann konnte man sich dort eine besondere Kaffeespezialität bestellen: einen Pharisäer. Für diese Gegend ein typisches Getränk. Kaffee mit einem ordentlichen Schuss Rum und darüber eine Sahnehaube.

Entstanden ist diese Spezialität auf der nordfriesischen Insel Nordstrand. Dort war es Brauch, in der Gegenwart des Pastors nur Kaffee zu trinken. Um diesen Brauch bei einer Tauffeier zu umgehen, wendeten einige Leute eine List an und bereiteten dieses Mixgetränk zu. Die Sahnehaube verhinderte, dass der Rum im heißen Kaffee verdunstete und es nach Alkohol roch. Der Pastor bekam immer einen normalen Kaffee mit Sahnehaube. Einmal kam es zu einer Verwechslung, und der Pastor rief laut aus: „O ihr Pharisäer!“

Natürlich drängt sich uns sofort der Vergleich mit der entsprechenden Namensgruppe zur Zeit Jesu auf. Die Pharisäer, von denen die Bibel erzählt, waren anständige, nüchterne und fromme Menschen, von denen wir heute einiges lernen könnten. Leider erlagen sie oft der Gefahr, sich etwas auf ihr Frömmigkeit und Anständigkeit einzubilden. So erzählt Jesus im Lukasevangelium von einem Pharisäer und einem Zollarbeiter, die beide laut im Tempel beteten. Das Gebet des Pharisäers hörte sich so an: „Gott, ich danke dir, dass ich nicht so bin wie dieser arme Tropf von Zöllner.“ Und dann zählte dieser fromme Mann in seinem Gebet alle frommen Übungen auf, die den Stolz seines Lebens bildeten. Für Jesus war dieser Mann ein Scheinheiliger. Nach außen hin ordentlich, korrekt und fromm. Aber in seinem Herzen verbargen sich Hochmut und Stolz. Das sind also die Zutaten für einen wirklichen Pharisäer: versteckt unter einer Sahnehaube aus Moral und Frömmigkeit kann ein ordentlicher Schuss Überheblichkeit und Einbildung stecken.

Wer das Nationalgetränk der Nordfriesen mag, sollte aufpassen, dass er nicht zu viel davon trinkt. Denn es könnte sein, dass er oder sie einen Schwips davon bekommt. Und der kann zu einem Unfall oder Sturz führen. Vor den Zutaten jedoch für einen wirklichen Pharisäer ist wohl keiner von uns gefeit. Und die sind mindestens genauso gefährlich. Denn Hochmut kommt ja bekanntlich vor dem Fall.