22. Sonntag im Jahreskreis (A) 2020 .-

Ist ihnen aufgefallen, dass der Prophet Jeremia in der Lesung, die wir gerade gehört haben, ein verstörendes und schreckliches Bild benutzt hat? – Er vergleicht sich mit einem mit schönen Worten verführten und dann ausgenutzten und vergewaltigten Mädchen! Jeremia sieht sich in der gleichen Situation: Gott hatte ihm das Prophetenamt angetragen und Jeremia hatte irgendwann zugestimmt. Natürlich war er dabei frei gewesen, aber er hatte sich „betören“ lassen – und jetzt kommt er sich wie ein Missbrauchter vor. Ihm sind sein Auftrag und sein Leben unerträglich geworden.

Jeremia hatte den Israeliten nichts Gutes zu sagen, keine gute Zukunft stellt er in Aussicht. In Israel herrscht Unrecht und Unglaube, das prangert Jeremia an. Deswegen ruft er in der Lesung „Gewalt! Unterdrückung!“ Er prangert diese Gewalt und Unterdrückung an und sagt: weil Gewalt und Unterdrückung im Innern herrschen, werden Gewalt und Unterdrückung auch von außen auf Israel zukommen. – bald steht Babylon vor der Tür, wird das Land plündern, Jerusalem zerstören und große Teile des Volkes verschleppen.

Das Volk will davon nichts hören. Das Volk will von rosigen Zeiten hören, nicht von Unheil und Gefahr. Daran hat sich bis heute nichts geändert… Jeremia wird gehasst, verhöhnt, sozial isoliert und verfolgt – sogar von der eigenen Familie. Noch schlimmer aber, als all das, empfindet Jeremia die Vergeblichkeit seines Tuns, er fühlt sich wirkungslos und nutzlos. Er hatte gedacht, er könnte Israel retten, jetzt führt er es dem Untergang entgegen.

Deshalb ist Jeremia so aufgewühlt, fühlt sich ausgebeutet und sein Reden mit Gott ist nur noch tiefe Klage. Er möchte Gottes Auftrag ausweichen, möchte alles Hinschmeißen und Gott aus seinem Leben verbannen. Aber er kann sich gegen seine Berufung nicht wehren. Gott ist stärker. Immer, wenn er aufgeben will, dann hört er da in seinem Herzen eine Stimme – es ist sein inneres Wissen, dass er sich Gott nicht entziehen darf, weil es um das Volk Gottes geht und weil Gott recht hat. Dieses Wissen, diese Gewissheit, reißt Jeremias Widerstand ein und führt ihn zur letzten Freiheit.

Jeremia bleibt seiner Berufung, seinem Dienst treu. Als die Babylonier vor Jerusalem stehen, wird er des Hochverrats angeklagt und eingesperrt. Auch da schweigt er noch nicht. Man verschleppt ihn nach Ägypten, da verlieren sich seine Spuren… Das Schicksal aller Propheten Israels!

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In Jesus Christus bündelt sich das Schicksal aller Propheten.

Auch er steht unter einem „inneren Zwang“, seinem Ruf und Auftrag zu folgen. Auch Jesus kann nicht ausweichen. Der innere Kampf, den Jesus gekämpft hat, der wird in der Ölbergszene des Gründonnerstags geschildert.

Im heutigen Evangelium kommt die Versuchung, von Gottes Berufung abzuweichen allerdings von außen auf Jesus zu. Der Apostel Petrus, der kurz vorher sein großes Christusbekenntnis abgelegt hatte und der dafür seliggepriesen wurde, hatte eigentlich noch nichts verstanden von Jesu Auftrag. Er hatte noch nicht verstanden, dass Jesus nach Jerusalem gehen muss, um da, in der Heiligen Stadt, das Gottesvolk vor die Entscheidung zu stellen. „Wollt ihr diesen Jesus, oder wollt ihr Barabbas?“, wird Pilatus fragen. Und das Volk wird seinen Tod fordern…

Petrus will Jesus von seinem Gang nach Jerusalem abbringen. Und Jesus reagiert unglaublich heftig, so gar nicht der „liebe Jesus.“: „Weg mit dir, du Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen. Du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen.“

Warum reagiert Jesus so scharf?

Eigentlich hatte Petrus nur zur Vorsicht gemahnt. Er hatte nur gewollt, was immer alle wollen, bis heute: Gott in bürgerlichem Frieden an seiner Seite haben. Irgendwie hoffen wir ja alle, dass wir glauben können, ohne dass sich Konsequenzen daraus ergeben. Irgendwie glauben wir ja immer, dass wir Gott dienen und trotzdem unsere Ruhe haben können.

Jesus zeigt mit seinem Wort und Weg aber, dass dieses Sowohl-als-auch-Denken nicht möglich ist. Er führt uns vor Augen, dass Gottes Plan mit der Welt ein ganz anderer ist, als das, was wir Menschen mit unserer Welt und unserem Leben vorhaben. Wo wir die Unterschiede zwischen Gottes Willen und Menschenwillen verwischen, da nennt Jesus das „satanisch.“

Und dieses „Verwischen“, das geschieht ganz oft sogar unter dem Mäntelchen des Religiösen. Petrus will Jesus ja nicht nur aus menschlicher Fürsorge von Gottes Willen abbringen, sondern er tut es sogar mit einer religiösen Formel. „Gott bewahre!“, oder „Da sei Gott vor!“, ruft er. Er schütz sich im Namen des Glaubens vor dem wahren Anspruch des Glaubens.

Ein bisschen Petrus ist in uns allen! Wenn Gott konkret in unserem Leben spürbar wird, wenn unseren Träumen und Zukunftsplänen der Platz streitig gemacht wird, dann zeigt sich schnell, wie fest wir an unseren Vorstellungen klammern. Es ist dann wirklich manchmal ein Kampf, der da geführt werden muss zwischen dem, was Gott und was der Mensch will…

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Der Weg Jesu war kein Sowohl-als-auch-Weg. Jesu Weg war absolut eindeutig. Menschen wollen aber keine Eindeutigkeit, bis heute nicht! Eindeutige, geradlinige Menschen reizen die anderen. Auch Jesus hat gereizt und deswegen ist er am Kreuz geendet.

Aber dieser Jesus sagt, wer mit ihm Gemeinschaft haben wolle, der müsse seinen Weg nachgehen und ebenfalls das Kreuz auf sich nehmen. Am Kreuz Jesu mitzutragen, das meint: geradlinig und eindeutig auf Jesu Weg gehen und den schmerzlichen Entscheidungen gegen die Bequemlichkeit, gegen die Gewohnheit, gegen die Meinung der Gesellschaft, gegen das Beispiel der vielen nicht auszuweichen.

Am Kreuz Jesu mitzutragen, das meint also mehr, als einen schweren Schicksalsschlag oder eine schlimme Krankheit zu ertragen. Mit diesen Dingen muss jeder Mensch umgehen, ob er an Jesus glaubt, oder nicht.

Am Kreuz Jesu mitzutragen, das ist die notwendige Folge der Entscheidung für die Sache Jesu. Es ist die zwingende Konsequenz, wenn man sich für die Wahrheit entschieden hat. Am Kreuz Jesu mitzutragen, das heißt mehr und mehr so eindeutig und klar zu sein in seinen Leben, wie dieser Jesus.

Wenn wir mehr und mehr so leben, dann wird sich dieses Kreuz nicht als Belastung und Leiden erweisen, sondern als Erlösung und Befreiung. Je mehr wir so leben wie Jesus, desto mehr würden wir von uns und dem Chaos unseres Lebens befreit, denn dann würden alle Dinge und Werte endlich den Stellenwert haben, der ihnen zukommt. Den ersten Platz aber hätte dann in jedem Fall der Willen und der Plan Gottes. Nichts wäre dann mehr heilig, außer Gott und unser ganzes Leben ein großer Gottesdienst.

AMEN.